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18

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Titel: 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Luengen
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im Raum. Die Decken hingen halb auf den Boden, und auf den Decken lag Sue. Sie war vollständig bekleidet.
    Ich holte eine Kerze vom Tisch und trat wieder ins Schlafzimmer. Ich stellte die Kerze neben das Bett auf den Boden und beugte mich über Sue. Sie lag auf dem Bauch, das Gesicht mir abgewandt. Sie trug eine Jeans, die mit Flicken übersät war, die, wie unschwer zu erkennen war, der USA-Flagge entstammten. Außerdem trug sie ein dunkles Flanellhemd, das ihre einige Nummern zu groß schien. Ihre Haare hatten eine seltsame blaue Färbung. Ein Fuß war mit einem Adidas Turnschuh bekleidet, der andere war nackt.
    Ich beugte mich vor, um ihr Gesicht zu sehen. Es sah genauso bleich aus wie mein eigenes. Sie hatte den Mund leicht geöffnet, doch ich konnte keine Atmung erkennen. Ich horchte an ihrem Rücken, ohne sie zu berühren. Auch dort bemerkte ich keinerlei Lebenszeichen. Ich war kein Fachmann auf dem Gebiet, doch mir fiel ansonsten nichts ein, wie ich prüfen konnte, ob sie noch lebte.
    Ich erhob mich und ließ die Kerze in dem Zimmer zurück. Im Wohnzimmer nahm ich den Brief an ihren Bruder, schrieb mir die Anschrift ab, faltete ihren fertigen Brief und steckte ihn in das bereits frankierte Kuvert. Das Kuvert steckte ich in meine Hemdtasche. Ich nahm den Telefonhörer wieder auf.
    „Bist du noch da?“, fragte ich.
    „Was ist? Du kannst mich ruhig noch ein Stunde warten lassen. Es ist erst drei Uhr nachts.“
    „Ich weiß nicht mal, ob sie noch lebt.“
    „Das solltest du aber wissen.“
    „Ich komme.“
    „Darauf habe ich gewartet, Indianer.“
    Ich gab ihr einen Kuss durch die Leitung, hängte kurz ein und wählte Pats Nummer. Er nahm sofort ab.
    „Was ist?“, fragte er.
    „Du hast soeben die Wette gewonnen.“
    „So schnell ging das bei Dir? Ich habe übrigens eine Katze. Oder einen Kater. Das löst Teile meines Abfallproblems. Macht allerdings auch neue Abfallprobleme.“
    „Das ist kein Spaß mehr, Pat.“ Ich drückte auf die Gabel und wählte die Nummer vom medizinischen Notdienst. Ich gab Adresse und Stockwerk durch und legte wieder auf. Ich blies die Kerze auf dem Tisch aus und suchte vorsichtig den Weg durch den finsteren Flur zur Wohnungstür, trat hinaus in das Treppenhaus. Ich ließ die Tür zu Sues Wohnung angelehnt, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich stieg die knarzende Treppe im dunklen Treppenhaus hinunter und trat hinaus in die Nacht. Aufkommender Nebel empfing mich. Ich ließ die Haustür ebenfalls angelehnt und ging die Straße entlang auf der Suche nach einem Briefkasten und einem Taxistand.

Born to run
Semme erzählt:
    Es war ein heißer Sommertag, und eine Menge Leute verbrachten ihre Mittagspause bei einem Cappuccino im Schatten unter den Markisen der Cafés. Sie saßen dort mit übereinandergeschlagenen Beinen und trugen schwarze Sonnenbrillen und schienen genügend Zeit zu haben. Ich ließ den Granada langsam die Promenade hinunter rollen. Mein Arm hing aus dem Fenster, das Radio lief und ich klopfte einen langsamen Beat mit.
    Ich stoppte vor einer roten Ampel. Neben mir auf dem Bürgersteig stand ein Mädchen. Sie schaute auf die rote Fußgängerampel vor sich und wartete. Ich hatte sie in der Schule oder auf Schulfeten schon mal gesehen. Sie stand völlig entspannt dort. Es gab tausende Leute in den Cafés auf der Promenade, und jemand, der noch auf der Suche ist, steht niemals entspannt vor tausend Leuten. Ich war kein Fachmann für diese Fragen, und eigentlich interessierten sie mich auch nicht besonders, doch irgendwie stieß man immer wieder darauf, und so machte man sich zwangsläufig seine Gedanken darüber. Was ich sagen will: Jeder hätte an meiner Stelle aus dem Wagen geschaut, und keiner kann behaupten, dass ich mit irgendeiner Absicht aus dem Fenster zu diesem Mädchen hingesehen hätte, und deshalb kann keiner behaupten, ich hätte damit den Stein ins Rollen gebracht, doch mit irgendetwas fängt alles an.
    Sie hatte blonde Haare und trug ein rotes T-Shirt und Jeans, die knapp oberhalb der Knie abgeschnitten waren. Die Ampel schaltete auf grün, und dieses Mädchen, das ich irgendwoher kannte, ging los. Ich gab sachte Gas und rollte einen Moment neben ihr her und beobachtete sie durch das geöffnete Seitenfenster, doch sie bemerkte mich nicht, ging weiter zielstrebig geradeaus, ohne einen Blick zu mir hinüber zu werfen. Schließlich beschleunigte ich. Sie entschwand in den Rückspiegel, dann aus dem Blickfeld. Ich wusste noch nicht mal, dass sie Ann

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