18
hocherfreut.
„Oh, hallo Patrick“, ahmte sie mich nach. Wir versuchten uns zu umarmen, doch die Koordination war zu schlecht. Es kam nur zu einem Schulterreiben und einem flotten Kuss auf die Wange. Oskar stand weiterhin neben uns und trank sein Bier aus.
„In dem Haus hier muss noch eine Party steigen“, sagte Josefine dann. „Denn mein Bruder ist auch hierher gefahren. Er war allerdings bereits um 17 Uhr eingeladen. Müssen seltsame Leute sein, die bereits so früh einladen.“ Während sie fröhlich plapperte, lehnte ich die Wohnungstür an und versuchte, Josefine an ein ungestörtes Plätzchen zu führen, zum Beispiel in mein Schlafzimmer, doch sie ging unbeirrbar durch den Flur Richtung Wohnzimmer. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen, und ich prallte gegen sie.
„Was macht denn mein Bruder hier? Hier bei dir?“, fragte sie und zeigte auf unseren Pickel-Jochen.
„Keine Ahnung“, sagte ich. „Ich habe ihn nicht eingeladen.“
Sie schien mit der Antwort nicht zufrieden. Sie runzelte die Stirn. Sie schaute mir in die Augen. Sie stemmte ihre Arme in die Hüften. Sie sah mal wieder sehr kompliziert aus. Und ich hatte kein Auto und hätte mir alles vorher denken können.
„Hast du ein Auto?“, fragte ich sie, gerade als sich ihr Mund öffnen wollte.
„Was soll der Quatsch? Natürlich habe ich kein Auto, das weißt du doch. Ich will auch keins, falls du vorhast, mir eins zu verkaufen. Was macht mein Bruder seit fünf Uhr hier?“
„Er redet mit Molli.“
„Mit Molli?“
„Mit seiner neuen Freundin.“
„Hier?“
„Ja. Im Schlafzimmer, auf dem Bett und in der Küche.“
„Sag mal, was für eine Wohnung ist das denn hier geworden?“
'Café Edelweiß' hätte ich fast gesagt, hielt mich aber zurück. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um meine Zukunft. „Ich kenne deinen Bruder überhaupt nicht.“
„Ach, ach, ach“, sagte sie und schritt durch den Flur davon, ein wunderschöner Anblick, den ich nicht mehr oft würde genießen können. Ich wollte zu Oskar zurückkehren, doch er war in Richtung Bierkästen verschwunden. Ich sah Josefine zu, wie sie mit Molli redete. Jochen gesellte sich dazu. Er musste seiner Schwester Rede und Antwort stehen. Mollis Eltern erhoben sich. Ich ging erstmal zur Toilette.
Josefine kehrte nach einiger Zeit zu mir zurück. Ich stand in meiner Nische im Flur, wo uns nicht viele Leute sehen konnten. Sie baute sich vor mir auf und strich ihre langen blonden Haare zurück. Lange blonde Haare, die wunderschön ihr Gesicht einrahmten, wenn sie im Takt der Musik wippte. Ihre Augen musterten mich, grünblaue Augen, falls es so etwas gibt.
Ich hoffte, dass sie mir die Ohrfeige mit der rechten Hand geben würde, denn falls sie die linke Hand nehmen würde, müsste ich mich mit dem rechten Arm verteidigen und würde mein Bier verschütten, was nur neuen Ärger gegeben hätte.
„So. Und nun erzähl mir mal deine Version von der ganzen Geschichte“, begann sie. Dies schien mir kein großes Problem zu sein. Ich entspannte mich etwas.
„Weißt du“, begann ich. „Heute Morgen habe ich den Entschluss gefasst, zu allen Leuten immer ehrlich und offen zu sein, weil ich merkte, dass mir Verschwiegenheit und Tücke bald ein Magenproblem bereitet hätten. Ich hätte nur noch fünf Bier pro Tag trinken können. Das ist keine Tücke der Welt wert. Was ich also sagen will ist, dass ich Molli und Jochen eingeladen habe, damit sie sich bei mir ungestört unterhalten können. Aber ich wusste tatsächlich nicht, dass er dein Bruder ist. Sonst hätte ich das nie getan. Ehrenwort.“
„Und woher kennst du diese Molli?“
„Sie ist Jochens neue Freundin.“
„Und woher kennst du Jochen?“
„Er ist Mollis neuer Freund“, sagte ich und sah, dass sie mir nun tatsächlich eine Ohrfeige verpassen wollte (wäre bereits die zweite an dem Tag gewesen, ein neuer Rekord), und packte deshalb schnell ihre beiden Handgelenke, wobei ich ihr linkes wegen des Bierglases nur ungenügend zu fassen bekam, was sich erst änderte, als das Bierglas auf dem Boden zerschellte. Ich hielt sie fest und zitierte:
„Ich habe keine Ahnung
wie mein Fahrrad
den Berg hinauf kommt
falls du mal nicht mehr
auf dem Gepäckträger sitzen wirst.
Denn du sitzt immer drauf.
Aber immer nur bergauf. Nie bergab.“
Ich hielt einen Moment inne und ließ das Gesagte versonnen auf mich wirken und sagte dann: „Ist von Brautigan. Oder von mir. Man darf die Hoffnung auf die Liebe in der Welt niemals
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