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1801 - Die Herreach

Titel: 1801 - Die Herreach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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schwarze Hand. Sie hatte zwei Daumen und zwei Finger.
    Der Stumpf war blutig und verbrannt. Ein hypothetischer Beobachter hätte vielleicht gesehen, daß sie mit einem sehr heißen, stumpfen Gegenstand von einem unbekannten Gelenk getrennt worden war.
    Auf das Wesen, dem die Hand gehört hatte, gab es keinen Hinweis. Welcher barbarische Akt stattgefunden hatte, vor allem wann, wie und wo, das ließ sich nicht sagen.
    Die Hand fiel zu Boden. Sie bohrte sich tief in den aufgelockerten Boden und zerplatzte dabei. Es war das erste organische Material, das es auf dem Planeten Trokan seit langer Zeit gegeben hatte. Eigenes Leben wohnte der Hand natürlich nicht inne, irrt medizinischen Sinn war sie tot. Aber ihr. Gewebe enthielt Millionen und aber Millionen Mikrolebewesen: Einzeller, Bakterien, Krankheitserreger 99 Prozent starben im Vakuum innerhalb von wenigen Minuten ab. Die Kälte verwandelte sie in gefrorenes Material, in quasiorganisches Gewebe unter Kühlschrankeinfluß.
    Das letzte Prozent aber überlebte.
    An dieser Stelle des Planeten trat sauerstoffhaltiges Gestein an die Oberfläche. Die Atmosphäre, die Trokan einmal besessen hatte, mußte sich im Boden niedergeschlagen haben. Sie war nicht mehr atembar, existierte nur noch in gebundener Form. Aber es war genug, einigen resistenten Bakterienstämmen das Überleben zu ermöglichen.
    So gelangte das Leben in eine tote Welt.
    Werden und Vergehen unter dem Mikroskop. Wachstum in winzigen Schritten.
     
    *
     
    In der Ebene veränderte sich das Gestein, die Farbe mutierte von einer Mischung aus Grau und Braun zu einem schwer definierbaren, grünlich gesprenkelten Ton.
    Im Verlauf eines Jahrzehnts wurde ein Umkreis von drei Kilometern erfaßt. Dann waren es plötzlich zehn Kilometer, und hundert Jahre später ließ sich kein eindeutiger Trennstrich zwischen „belebt" und „unbelebt" mehr ziehen. Der Prozeß verlief nicht linear, sondern er hing von den unterschiedlichen Bedingungen ab, die das Leben an den verschiedenen Orten vorfand.
    Tausend Jahre später schien die bakterielle Lawine zum Stillstand gekommen; sie erstreckte sich auf einen Bereich, der in der Länge fünfhundert, in der Breite dreihundert Kilometer maß.
    Die Evolution verrichtete ihre Arbeit auf Trokan mit geringem Tempo. Aber am Ende brachte sie einen mutierten Bakterienstamm hervor, der den Bedingungen sehr viel besser angepaßt war.
    Aus fünfhundert Kilometern wurden tausend. Da es auf dem Planeten schon lange keine Ozeane mehr gab - wohl seit Jahrmillionen nicht -, ließ sich die Oberfläche nicht in Kontinente teilen. Trokan bestand aus einer einzigen zusammenhängenden Landmasse. Zwei-, drei-, viertausend Kilometer, nicht mehr als eine Frage der Zeit.
    Die wenigen hochgelegenen Landstriche brachten ihre eigene Sorte Mikroleben hervor, die einstigen Wüsten eine wiederum andere, spezielle Mutantenart.
    Bis die Bakterien alles erobert hatten, brauchte es fünf Millionen Jahre. Ihre Lebensprozesse setzten allmählich den gebundenen Sauerstoff frei, Stickstoffe und Kohlenstoffe wurden ins Vakuum entlassen. Nach zehn Millionen Jahren hätte ein Beobachter nicht mehr von Vakuum gesprochen, sondern von einer sehr, sehr dünnen Atmosphäre. Und nach 100 Millionen Jahren erreichte diese gasförmige Hülle einen Sättigungsgrad, der sich nicht mehr nennenswert veränderte. Trokan war nun eine Welt, auf der man mit den entsprechenden Lungen durchaus hätte atmen können.
    Der Bohrkopf wachte aus seiner Ebene über die winzigen Schritte des Werdens und des Vergehens.
    Trokan hatte seine Erkaltungsphase lange hinter sich. Und nun erwärmte sich der Planet wieder. Aus dem Wirbelschirm, der die Welt umgab, wurden kaltes und warmes Licht, Radioaktivität, Infrarot und Ultraviolett abgestrahlt - kurz: ein breites Spektrum sichtbarer und unsichtbarer Wellen. Das Oberflächengestein, seit Äonen im Gleichgewicht, brach entlang scharfen Graten wieder auf. Gebirge wuchsen in den Himmel. Kontinentale Schollen entstanden, auch ohne daß es Ozeane gab, und die ersten Vulkane seit einer Milliarde Jahren spuckten ihre Glut in eine dünne, bald von Schwefel verpestete Luft.
    Unterirdische Wasserreservoirs sammelten sich, wurden ganz nach oben gedrückt. Nach 120 Millionen Jahren floß durch die Ebene ein Rinnsal, das sich in einen schmalen Fluß verwandelte.
    Und von irgendwoher transportierte das Wasser einen Algenstamm heran; eine Form von Leben, die bereits himmelweit über den Bakterien stand und in einem

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