1808 - Die Vorhölle
Unhold nicht zusammen. Er hatte immer nur gezuckt, aber er hielt sich auf den Beinen.
»Lass es, Harry, es hat keinen Sinn.«
Harry Stahl ließ die Waffe sinken. »Was soll ich denn noch machen?«
»Gar nichts.«
»Und du?«
»Ich kann im Moment auch nichts tun. Was wir hier erleben, ist jenseits von Gut und Böse.«
»Was ist mit deinem Kreuz?«
»Nichts.«
Es war eine ehrliche Antwort gewesen. Als hätte der Unhold sie gehört, gab er plötzlich ein Geräusch von sich, das sich wie ein Schnauben anhörte.
Er war wieder da!
Automatisch gingen wir zurück. Er hatte fünf Silberkugeln schlucken müssen, und jetzt musste ich erkennen, dass sie nicht gewirkt hatten. Nein, dieser Erdwurm hätte mit einer Axt in Stücke geschlagen werden müssen, aber die hatte ich nicht zur Hand.
Wir sahen auch die Schusslöcher. Aus ihren tropfte eine dunkle Flüssigkeit. Es war sein dämonisches Blut, aber ob der Verlust ihn schwächen würde, war noch die große Frage.
Er schüttelte sich wie ein Bär, der soeben das Wasser verlassen hatte. Dann stampfte er nach vorn. Diesmal ging er leicht nach links versetzt, sodass er mit beiden Füßen den Hügel berührte. Er ging noch weiter, und wir mussten uns überlegen, wie wir ihn stoppen sollten.
Dann aber geschah etwas, womit wir nicht gerechnet hatten. Urplötzlich sackte er zur rechten Seite hin weg, und sein Bein verschwand bis zum Knie im Boden.
»Was ist das denn?«, hauchte Harry.
»Abwarten.«
»Wohl ein Loch …«
Ja, das war es auch, aber in diesem Fall war es ein besonderes Loch, denn es musste bestimmte Kräfte haben, die diese Gestalt von innen festhielten.
Es zerrte an seinem rechten Bein.
Keine Chance. Das Monster konnte sein Bein nicht mehr befreien.
Und dann passierte noch etwas, mit dem wir beide nicht gerechnet hatten.
Wie schon einmal verlor die Erde ihre Dichte und wurde durchsichtig.
Es vergingen nur Sekunden, dann waren wir in der Lage, in den Boden zu schauen.
»Gott, die Skelette«, flüsterte Harry Stahl.
Da hatte er schon recht, aber die wahre Bestimmung dieser Welt erlebten wir wenig später, denn da wurde das Monster hineingeholt mitten in die Vorhölle …
***
Es war kaum zu fassen, und dass ich dies so ausdrückte, das hatte auch einen Grund. Denn wir waren nicht mehr allein, es hatte sich noch jemand anderer zu uns gesellt.
»Okay, ich hole ihn zurück, John …«
Erst wollte ich es nicht glauben, aber es stimmte. Ich kannte die Stimme. Sie gehörte einem Dämon, der jedoch fast ein Freund von mir war und auf den Namen Mandragoro hörte.
Er existierte in der Erde. Er war Hüter der Umwelt, aber in einer Zeit wie dieser stand er auf verlorenem Posten. Er versuchte alles, um die größten Schäden zu vermeiden, aber er konnte immer nur im Kleinen agieren, und das gefiel ihm nicht. Seine Siege waren nicht mehr von Bedeutung. Das hatte ihn traurig und wütend gemacht. Dass er diese alte Kultstätte unter seiner Kontrolle gehalten hatte, das war für mich normal.
Ich sprach seinen Namen aus und schaute in den Hügel hinein, wo das Monster immer tiefer sackte und nichts dagegen tun konnte.
»Es ist schon gut, John«, vernahm ich Mandragoros Stimme.
»Ja, aber warum tust du das? Was ist hier los? Diese Kultstätte muss doch …«
»Sie ist vergessen worden. Sie war früher ein Altar, der mir geweiht war. Jetzt hat sie ihren Reiz verloren. Es ist vorbei, und das für immer.«
»Was ist mit dem Monster? Hat es auch in diese Kultstätte gehört?«
»Ja, damals. Da sah die Welt noch anders aus. Du brauchst keine Angst zu haben, das Monstrum wird dir nie wieder begegnen.«
Als Antwort schaute ich auf den Hügel.
Er hatte das Untier verschlungen. Er war auch nicht mehr durchsichtig, und so würde ich auch von Mandragoro nichts mehr sehen, was schade war.
Harry Stahl sah mich an, schüttelte den Kopf und wischte zugleich über seine Stirn.
»Ist das alles passiert, John?«
»Ja, du hast nichts geträumt.«
»Und jetzt ist es vorbei.«
»Auch das, Harry, auch das …«
***
ENDE des Zweiteilers
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