1809 - Werwolf-Falle
hatten.
Der junge Mann lächelte sie an. Es war ein kaltes Lächeln, und auch die nächsten Worte brachten keinen Trost.
»Du wirst bald erleben, in welche Richtung der Zug des Schicksals fährt. Sie wird völlig neu für dich sein, denn sie ist auch für mich neu gewesen.«
Helene Schneider war irritiert. Sie schüttelte den Kopf. Dann fragte sie: »Was soll das? Was redest du da für einen Unsinn?«
»Es ist kein Unsinn, glaub es mir.«
»Ja, das sagst du. Ich sehe das anders. Ich kann dir leider nicht folgen.«
Er lächelte wieder. »Du wirst es erleben. Du wirst sehen, dass alles anders werden wird.« Plötzlich kicherte er schrill. »Alles wird anders, und ich habe meinen Spaß dabei.«
»Wobei denn? Wenn mit mir etwas geschieht?«
»Ja.«
»Und was sollte mit mir geschehen?«
»Das wirst du gleich erleben.«
Mehr sagte er nicht, und das gefiel Helene Schneider nicht. Sie wusste immer gern, woran sie war, aber hier wurde sie im Unklaren gelassen. Er hatte ihr in den letzten Minuten nicht direkt gedroht, doch sie hatte viele seiner Worte als Drohung empfunden, und auch jetzt war das drückende Gefühl in ihrer Brust nicht verschwunden und presste ihr die Atemwege zu.
Justus Baum drehte ihr den Rücken zu. Er hatte etwas Bestimmtes vor, und das zog er auch durch. Sie konnte kaum glauben, dass er den großen Käfig verließ, die Tür hinter sich zuschnappen ließ, aber nicht abschloss, und hinaus ins Freie trat.
Ging er weg?
Der Gedanke daran beflügelte sie. Plötzlich spürte sie so etwas wie Power in sich. Sie wollte nicht mehr auf ihrem Platz bleiben. Sie drückte sich in die Höhe und schaute zum Ausgang hin.
Aber sie blieb an der Gittertür stehen. Mit ihren Händen umklammerte sie zwei Stäbe und schaute dorthin, wo Justus Baum verschwunden war. Er war ins Freie gegangen, hatte sich aber nicht weit entfernt, sondern war nahe der Hüttentür stehen geblieben.
Sie sah ihn. Aber sie sah ihn nicht besonders scharf, was an dem seltsamen Zwielicht lag, das draußen herrschte. Es war nicht stockfinster, aber auch nicht hell.
Sie schaute genauer hin.
Justus Baum hatte seinen Platz vor dem Haus nicht verlassen. Er stand dort in einer ungewöhnlichen Haltung. Breitbeinig, den Rücken durchgedrückt und den Kopf zum Himmel gerichtet.
Was hatte diese Pose zu bedeuten?
Sein Mund stand halb offen. Das sah Helene, weil sie ihn im Profil sah.
Warum schaute er zum Himmel? War der so interessant für ihn?
Sekunden verstrichen.
Und dann passierte es.
Das geschah so plötzlich, dass selbst Helene, die sich darauf konzentriert hatte, davon überrascht wurde. Auch jetzt konnte sie es kaum fassen, denn Justus Baum fing damit an, sich die Kleidung vom Leib zu reißen …
***
Das war unmöglich. Das war völlig abgedreht, und sie konnte es fast nicht glauben.
Aber Justus legte keinen Striptease hin. Es war auch keine Musik zu hören und er bewegte sich auch nicht in einem Takt. Er wollte seine Kleidung so schnell wie möglich loswerden, und den Grund kannte wohl nur er.
Helene schaute seinen oft zuckenden Bewegungen zu. Dabei entledigte er sich seiner Kleidung und schleuderte sie weg.
Er lachte. Er schrie sogar manchmal, er schüttelte auch den Kopf, und dabei riss er weit den Mund auf.
Seine Schreie waren laut, sie überschlugen sich fast, klangen manchmal wütend, dann wieder sanfter.
Er blieb nicht stehen. Er tanzte dabei und er warf auch sein letztes Kleidungsstück weg, die Unterhose. Sie flatterte leicht, bevor sie zu Boden fiel.
Helene Schneider blieb weiterhin die Zuschauerin und fragte sich, was das alles sollte. Diesen Striptease hatte er bestimmt nicht hingelegt, nur um sie zu schockieren. Dahinter musste mehr stecken, und jetzt, da sie ihn nackt sah, stieg wieder die Befürchtung in ihr hoch, dass er sie vergewaltigen wollte.
Er hatte sich jetzt umgedreht und schaute durch die offene Tür in die Hütte.
Helene wich seinem Blick nicht aus. Sie wartete darauf, dass der Nackte zu ihr ins Haus kam.
Sekunden verstrichen noch, bis er sich bewegte. Es begann mit einem Zucken seines mageren Körpers, dann setzte er sich in Bewegung und ging vor.
Helene atmete heftig. Ein nackter Mann in ihrer Nähe, das konnte nur eines bedeuten. Er würde in den Käfig kommen und dann …
Sie dachte nicht weiter. Zudem nahm die Gestalt all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie musste zugeben, dass sie nicht wusste, wie sie ihrem Schicksal entgehen könnte. Justus hatte sich klar ausgedrückt. Er würde ihr
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