1809 - Werwolf-Falle
der Haustür spendete eine Außenlaterne Licht.
Ulrike Schneider hatte uns bereits gehört. So mussten wir nicht die Schlüssel hervorholen. Sie öffnete uns die Tür und nickte uns zu.
»Na, wieder da?«
»Ja«, sagte Harry und ging ins Haus. Ich folgte ihm, und beide hörten wir die Frage, ob wir vielleicht Hunger hätten, einen kleinen Imbiss könnte es geben.
Harry und ich schauten uns an. Wir nickten zugleich, und das leicht traurige Gesicht der Frau hellte sich auf.
»Gut, dann bringe ich Ihnen eine Vesper-Platte.«
»Tun Sie das.«
»Und zu trinken?«
Harry bestellte zwei Bier, die wir vorher bekamen.
»Wohl bekomm’s.«
Ulrike Schneider hatte mit etwas gepresster Stimme gesprochen. Das war nicht normal, und da mir dies aufgefallen war, hielt ich sie zurück und stellte eine Frage.
»Was ist mit Ihnen, Frau Schneider?«
Sie stand neben dem Tisch, schaute mich an, seufzte und schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn, wenn ich Sie damit belästige.«
»Sagen Sie das nicht. Worum geht es?«
Jetzt rückte sie mit der Wahrheit heraus. »Um meine Tochter Helene. Sie ist noch immer verschwunden. Ich habe bisher nichts von ihr gehört.« Beim letzten Satz brach ihre Stimme regelrecht zusammen. Sie fing an zu weinen, schämte sich deswegen, drehte sich um und lief aus dem Zimmer.
Harry Stahl und ich schauten uns an. »Ob das Verschwinden ihrer Tochter vielleicht etwas mit unserem Fall zu tun hat?«, fragte Harry. »Was meinst du?«
Gedacht hatte ich daran auch schon, aber den Gedanken erst mal für mich behalten. Jetzt, wo er ausgesprochen worden war, nickte ich und gab Harry recht.
»Meinst du das ehrlich, John?«
»Ja, aber ich kann mir nur keine Verbindung vorstellen«, sagte ich.
»Stimmt.«
»Dann müssten wir die Mutter fragen.«
Harry überlegte. »Hm, sie wird uns keine Antwort darauf geben können. Sie weiß ja nichts.«
»Sie hat zumindest das Heulen gehört. Es ist ja vielen hier im Ort so ergangen, wie wir von Walter Rüger wissen.«
»Klar.« Harry verzog die Lippen. »Frau Schneider aber direkt damit zu konfrontieren, das möchte ich nicht. Sie leidet schwer unter dem Verschwinden ihrer Tochter.«
»Ja, ja, schon klar, wir müssen eben behutsam vorgehen.«
»Werden wir.«
Ulrike Schneider kehrte zurück. Sie hatte sich erholt, sogar etwas Rouge aufgelegt und konnte jetzt wieder lächeln, auch wenn dieses schon leicht gequält wirkte.
Auf einem Tablett stand eine Platte mit belegten Broten. Sie sahen allesamt sehr appetitlich aus. Für jeden von uns hatte sie vier Scheiben zubereitet.
»Bitte, greifen Sie zu. Wenn Sie noch mehr wollen, sagen Sie Bescheid.«
»Nein, um Himmels willen.« Ich winkte ab. »Wollen Sie uns denn mästen, Frau Schneider?«
»Das natürlich nicht. Aber kräftige Männer müssen kräftig essen.«
Dagegen konnten wir nichts sagen.
Frau Schneider ging zu einem der Fenster und fragte, ob uns frische Luft stören würde. Sie wollte mal durchlüften.
»Auf keinen Fall«, sagte ich. »Wir sind dafür.«
Sie öffnete zwei Fenster, um die frische Abendluft einzulassen. Sie war sofort zu spüren und glitt auch über unsere Gesichter.
Ich nahm die erste Schnitte Brot und biss hinein. Ich wollte Ulrike Schneider schon loben, als es passierte.
Mit blieb der Bissen fast im Hals stecken, als durch das offene Fenster das unheimliche Heulen an meine Ohren drang …
***
Keiner von uns hatte damit gerechnet. Wir waren unvorbereitet erwischt worden, blieben da, wo wir saßen oder standen und lauschten zum Fenster hin.
Harry Stahl und mich konnte man als cool bezeichnen. Bei uns tat sich nichts. Das sah bei Ulrike Schneider anders aus. Sie stand zwischen den beiden Fenstern, hatte ihre Hände zu Fäusten verkrampft und war wie erstarrt, den Blick irgendwie nach innen gerichtet.
Das Heulen wiederholte sich.
Unheimlich klang es uns entgegen. Es blieb in der Tonart nie gleich. Es schien aus den Tiefen der Erde zu kommen, um dann mit lang gezogenen Lauten durch die Stille zu wandern, bis es schließlich verstummte.
Wir warteten darauf, dass es abermals erklang, doch es blieb still. Das merkte auch Ulrike Schneider, denn sie seufzte nach einer Weile und nickte.
»Das war er«, sagte sie leise.
»Wen meinen Sie?«, fragte Harry Stahl.
»Ach, was sagen Sie da? Das wissen Sie doch genau. Es war der Wolf. Der Heuler. Aber er heult anders als ein normaler Wolf. Und deshalb bleibe ich dabei, dass er ein Werwolf ist.«
»Woher nehmen Sie das Wissen?«, fragte
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