1809 - Werwolf-Falle
sich.
Ob innen oder außen, das hatte sie nicht feststellen können. Es gab nur keinen Zweifel, dass sich die andere Kraft immer stärker bemerkbar machte, besonders in ihrem Kopf.
Jetzt im Gesicht. Sie spürte den Druck. Die Lippen schienen sich aus eigener Kraft zerfetzen zu wollen. Etwas zerrte an ihnen und riss sie in die Länge.
Bei den Wangen geschah Ähnliches. Auch hier wurde gezerrt und gezogen, und im Mund selbst dehnte sich auch etwas aus. Ihre Zähne fingen an zu schmerzen, sie fielen aber nicht ab, sondern veränderten sich. Sie wurden größer. Der Mund war zu einer Schnauze geworden.
Helene wurde unruhig. Zwar blieb sie noch auf dem Bett sitzen, aber sie warf sich des Öfteren von einer Seite zur anderen. Immer und immer wieder, wobei sie leise Flüche ausstieß, die in einem Knurren endeten.
Hektisch bewegte sie die Arme. Ihre Hände waren zu Klauen oder Pranken geworden und mit einem braunen Fell bewachsen. Große, gekrümmte Nägel sah sie. Sie hoben sich durch einen bestimmten Glanz vom Fell ab.
Sie konnte nicht mehr sitzen bleiben. Mit einem Schwung nach rechts schleuderte sie sich von ihrem Platz, kam gut auf und schaute zur Decke der Hütte. Wer sie jetzt gesehen hätte, der hätte sie nicht mehr als Helene Schneider erkannt. Ihr Gesicht hatte nichts Menschliches mehr an sich. Es bestand aus einer nach vorn gezogenen Wolfsschnauze und den kalten Raubtieraugen.
Sie trat auf der Stelle. Sie fuhr mit ihren Pranken am Körper auf und ab, und jetzt fanden die Pranken einen schwachen Widerstand im Fell, das mittlerweile sehr dicht geworden war.
Es ging ihr gut.
Sie fühlte sich stark und durch das neue Fell beschützt, das nun ihren gesamten Körper bedeckte. Sie war jetzt kein Mensch mehr. Sie hatte sich verwandelt, und sie konnte sich selbst als eine Wölfin betrachten. Der Werwolf hatte den Keim gelegt, und der war sehr bald aufgegangen.
Hätte sie sich in einem Spiegel gesehen, so hätte sie nichts Menschliches mehr erkannt. Die gesamte Gestalt war jetzt von einem dichten Fell bedeckt, das nicht mehr an eine Haut denken ließ.
Sie war fertig. Die Verwandlung hatte geklappt. Sie stieß ein Heulen aus, mit dem sie ihren Triumph ausdrückte.
Jetzt konnte sie durch die Wälder streifen, und mit diesem Vorsatz verließ die Wölfin zuerst den Käfig, danach die Hütte. Sie huschte ins Freie und blieb zwei Schritte später stehen, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte.
Die Sucht, Menschen zu töten, steckte schon in ihr, aber da riss sie sich zusammen und unterdrückte sie. Nicht sofort versuchen, lieber noch etwas warten, sich erst mit der neuen Gestalt vertraut machen.
Eines aber konnte sie schon.
Sich bemerkbar machen. Heulen. Durch dieses Geräusch kundtun, wo sie sich befand oder der Umwelt überhaupt klarzumachen, dass sie da war. Sie legte den Kopf in den Nacken, riss die Augen weit auf und schaute zum Himmel.
Da die Bäume nicht so dicht standen, war es kein Problem, eine Lücke zu finden. Der Himmel zeigte ihr keine schwarze Fläche, sondern eine, die erhellt wurde. Es musste das Mondlicht sein, das sich dort oben wie eine Hintergrundbeleuchtung abzeichnete. Und gerade das Mondlicht war für sie perfekt. Sie hatte das Gefühl, durch diesen Schein noch mehr Kraft zu bekommen, und behielt ihre Haltung für eine bestimmte Zeit bei.
Als diese vorbei war, senkte Helene den Kopf und scharrte mit den Füßen, die sich ebenfalls verändert hatten.
Sie wollte nicht länger hier im Wald bleiben. Es gab andere Gebiete, in denen sie sich wohl fühlen würde, und vor allen Dingen würden ihr dort Menschen begegnen.
Menschen, die sie angreifen und beißen konnte. Denen sie einen Keim einpflanzte und sie damit ebenfalls zu Werwölfen werden ließ. Das war ähnlich wie bei den Vampiren.
Noch immer hatte sie sich nicht vom Fleck bewegt. Sie stand da und wartete. Sie wusste, dass sie nicht allein war. Es gab einen, dem sie dies alles verdankte. Mit ihm wollte sie die Nacht verbringen und hoffte stark, von ihm nicht im Stich gelassen zu werden.
War er da?
Sie wusste es nicht. Sie hatte nach ihm geschnüffelt, aber nichts von ihm gewittert.
Bis sie plötzlich etwas hörte. Das Geräusch war nicht mal weit von ihr entfernt aufgeklungen, aber innerhalb des Waldes.
Sie drehte sich um, schaute hin.
Da kam er.
Zuerst sah sie nur einen Schatten, der recht groß war, zumindest größer als sie. Der Schatten bewegte sich zielsicher durch die Lücken zwischen den Bäumen.
Helene überlegte, ob
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