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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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fügte Reezar hinzu. »Ich hoffe, die Basaren und die Universitynger werden die Lektion kapieren, die wir dem Stamm der Banker erteilt haben.«
    »Sie werden«, sagte Belzary mit bösem Feixen. »Wenn nicht jetzt, dann nach der nächsten Lektion.«
    Der Fackelzug war nun zur Hälfte im nächtlichen Wald verschwunden. Hin und wieder, wenn er über eine Lichtung zog, sah man kurz die Lichterkette aufscheinen.
    »Jetzt schlagen sie einen großen Bogen um die Affenruine«, sagte Karzyan.
    »Sehr klug«, feixte Belzary. »Auch die Affen verschmähen frisches Fleisch nicht, und es wäre doch schade, wenn sie uns zuvorkämen.« Ein Grinsen wollte in Karzyans hohlwangigem Gesicht aufflackern, doch als er sah, dass sein älterer Bruder Reezar keine Miene verzog, blieb auch sein Gesicht unbeweglich.
    Aus dem Treppenhaus näherten sich Schritte von unten. Zwei Männer in Leinenmänteln traten aus dem Schacht. Zwei der Späher, die Reezar ausgesandt hatte, um den Marschweg und die Größe der Schutzpfandprozession auszukundschaften. Sie trugen keine Fackeln; die brauchten sie nicht – die Kämpfer der Turmherrenrotte kannten jeden Winkel des ewigen Turms.
    »Und?«, wandte Belzary sich an die Männer. »Ist sie hübsch?«
    Reezar zog die Brauen hoch und brachte seinen Sohn mit einem tadelnden Blick zum Verstummen. »Was habt ihr gesehen?«, wandte er sich an die Kämpfer.
    »Berichtet.«
    »Ungefähr dreißig Männer, wie immer. Halbwüchsige und Greise sind dabei.«
    »Bewaffnung?«
    »Jagdbogen und Speere.«
    Reezar nickte zufrieden. »Verteidigungswaffen. Sie fürchten die Affen.« Und dann wieder an die Adresse der Späher: »Geht und beobachtet sie. Wenn sie die Frau an den Schutzpfandstein gebunden und sich zurückgezogen haben, sagt uns Bescheid.« Die Männer nickten und zogen sich zurück.
    Die drei Bewohner des ewigen Turms versanken in Schweigen. Sie sahen den Vollmond sinken, den Fackelzug auf der Lichtung zwischen Affenruine und ewigem Turm auftauchen und den neuen Morgen in den Osthimmel steigen. Auf dem Platz um den Schutzpfandstein bildeten die Fackeln einen Kreis. Einige Lichter versammelten sich in der Mitte, flackerten dort eine Zeitlang, dann wanderten sie durch die Dämmerung zurück zum Fackelkreis am Rand der Lichtung. Die tanzenden Flämmchen formierten sich nach und nach zu einer Kolonne, die in den Wald zurück wanderte.
    »Na endlich.« Reezar legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. »Brich auf, Belzary. Nimm dir neun Kämpfer und hol die Jungfrau.«
    ***
    Bald erlosch auch der letzte Abglanz des Fackellichts.
    Übrig blieb die dunkle Wand des Waldrands, die beiden hoch in den schwarzgrauen Himmel ragenden Ruinen, der Dunstteppich über der Lichtung – und sie selbst.
    Ballaya weinte nicht, alles in ihr schien aus Stein.
    Eine Morgenbrise bewegte sanft die Wipfel der Bäume am Rande der Lichtung. In den Mauerlücken der Affenruine, drei, höchstens vier Speerwürfe entfernt, glaubte sie Schatten zu sehen, die sich bewegten. Noch ein letzter Blick zum Waldrand. Kein Lichtschein mehr und keine Geräusche von brechenden Zweigen unter Stiefelsohlen. Sie war allein, ganz allein.
    Sie wartete. Langsam wurde es hell. Dreißig Männer ihres Stammes hatten sie zu jener verfluchten und verhassten Lichtung im Todesdreieck gebracht, auf der er wie eine Axtklinge aus dem Fundament einer zugewucherten und halb vom Wald verschlungenen Ruine ragte: der Schutzpfandstein.
    Der Scheiko und die ältesten Krieger ihres Stammes hatten sie mit Stricken an Eisenringen festgebunden, die an der zerklüfteten Spitze des Steins geschmiedet waren.
    Ballayas Körper bedeckte halb das Symbol des Kometenfürsten, das mit roter und weißer Farbe auf den Schutzpfandstein aufgemalt war: Der Komet, wie er die Erde trifft. Mit jedem Wechsel an der Spitze der Turmherren wurde es erneuert.
    Das milchige Rot der aufgehenden Sonne schob sich in den blaugrauen Himmel. Bald würden sie kommen und sie holen. Ballaya sah zum ewigen Turm. Sie wünschte, sie wäre endlich dort, läge hinter einem der Abertausenden Fenster und hätte den ersten Schmerz hinter sich. Und zugleich wunderte sie sich über diesen Wunsch.
    Ein Schatten löste sich vom Waldrand. Warum nur einer? Sie hielt den Atem an. Ein Vorbote der Turmherren? Sie kniff die Augen zusammen, versuchte trotz des Dämmerlichts und des höher steigenden Dunstes Einzelheiten zu erkennen. Ein Affe? Nein, die Affen wanderten niemals allein, auch die großen, die Orangus, waren wenigstens

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