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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Ruderholmen. »Der Fluss heißt Klang«, sagte Charlondo, der auf der Bank hinter Rulfan und Halil ruderte. »Er fließt durch die Ruinen von Ka'El.«
    Immer häufiger begegneten sie anderen Fischerbooten, die auf dem Weg ins offene Meer waren, oder auch Fischern in kleinen Kanus, die ihre Netze im Fluss auswarfen. Auf allen Schiffen, die vorbeifuhren, entdeckte Rulfan Bewaffnete, meist Speerträger und Bogenschützen. Als er sich daraufhin genauer in Ruulays Boot umsah, entdeckte er in den Fenstern des Ruderhauses Speerschäfte, und unter Decken und Planen am Heck erkannte er die Konturen von großen Kampfbogen und Schwertern.
    Der Strom floss träge dahin, dennoch war es mühsam, gegen die Strömung anzurudern. Glücklicherweise blähte ein Südwestwind die Segel. Ruulay stand die ganze Zeit am Ruder und hielt sein Schiff auf Kurs in der Flussmitte. Er starrte finster in Fahrtrichtung flussaufwärts. Wieder und wieder trieb er seine Männer zur Eile an.
    »Warum ist er denn plötzlich so nervös?«, fragte Rulfan nach hinten.
    »In diesem Monat ist unser Stamm wieder an der Reihe, der Turmrotte ein Mädchen auszuliefern«, sagte Charlondo heiser. »Ruulay hat zwei Töchter im heiratsfähigen Alter.« Die Geschichte erregte Rulfans Zorn. »Eines der Mädchen ist mir versprochen«, fügte Charlondo leise hinzu. »Das andere Honbur.«
    Mit der Abenddämmerung erreichten sie die große Ruinenstadt, und als die Nacht kam, ging Ruulays Fischerboot an einer hölzernen Anlegestelle vor Anker.
    Ein Marsch von etwa zehn Stunden trennte die Mannschaft noch von ihrer Heimatruine. Die Männer schilderten die Behausung ihres Stammes als großes, einst prachtvolles Gebäude. In ihm hätten die Alten den Gott angerufen, erklärte Honbur. Sie nannten ihre Heimatruine »Moscherune«. Andere Stämme nannten Ruulays Leute deswegen seit Generationen
    »Moscherunen«.
    Während die Fischer ihren Fang auf Wagen umluden, die sie in den Ruinen am Fluss versteckt hatten, berieten Rulfan, Sulbar und Halil, was sie tun sollten. Sulbar plädierte dafür, die Nacht am Flussufer zu verbringen und am nächsten Tag ein Schiff zu suchen, das sie zurück nach Bono bringen würde. Rulfan und Halil dagegen wollten die Fischer zu ihrem Stamm begleiten, um mit ihnen nach Möglichkeiten für einen Kampf gegen die Turmherren zu suchen. Der Junge war ein Hitzkopf, und es ging ihm wie Rulfan: Die Geschichte, die Charlondo und Honbur erzählt hatten, erregte seine Wut.
    Plötzlich tauchten zwei Halbwüchsige zwischen den Ruinen auf, zwei Boten des Stammes der Moscherunen, wie sich herausstellte. Sie rannten zu Ruulay, und einer der Jungen richtete ihm eine atemlos und heiser gebellte Botschaft aus. Daraufhin erhob sich lautes Palaver unter den Fischern.
    Noch bevor Rulfan den Grund für die Aufregung in Erfahrung bringen konnte, gürtete Charlondo sein Schwert um, packte seinen Bogen, schlüpfte in seinen Mantel und lief in die Dunkelheit zwischen den Bäumen und Ruinen. Die anderen sahen ihm hinterher, und ein paar Atemzüge lang verstummte das erregte Palaver.
    »Lasst ihn laufen.« Honbur winkte resigniert ab. »Er wird sowieso zu spät kommen. In ein paar Stunden liefern sie das Mädchen aus.«
    »Wohin will er denn?«, fragte Rulfan. Ihm fiel auf, dass der untersetzte Mann mit brüchiger Stimme sprach und Tränen in den Augen hatte. Er schluckte ein paar Mal, brachte die Antwort aber nicht über die Lippen.
    »Zum ewigen Turm«, sagte Ruulay. Bitterkeit und Trauer verdüsterten seine Miene.
    »Und keiner begleitet ihn?« Die Schicksalsergebenheit der Fischer erregte Rulfans Widerwille. »Keiner steht ihm bei?«
    »Es hat keinen Sinn.« Ruulay schüttelte traurig den Kopf. »Außerdem kommt er sowieso zu spät…«
    ***
    »Sie kommen.« Reezar, sein Bruder Karzyan und sein Sohn Belzary standen an einem Fenster auf der zwanzigsten Ebene des ewigen Turms. »Und sie kommen pünktlich.« Im Westen stand der Vollmond über den Bäumen, im Osten zeigte sich bereits der erste milchige Streifen des neuen Tages. Von dort her näherte sich ein Fackelzug. Die Moscherunen brachten ihre jährliche Jungfrau.
    »Das ist gut«, sagte Karzyan. »Sie nehmen uns hin wie das Wetter – ab und zu jammern sie, aber wenn es hart auf hart kommt, fügen sie sich dem Unausweichlichen.«
    Die Spitze des Fackelzugs verschwand. Die Prozession mit dem jährlichen Schutzpfand hatte das Waldgebiet erreicht, das den größten Teil des Todesdreiecks bedeckte.
    »Die meisten jedenfalls«,

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