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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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zu dritt oder viert unterwegs, wenn sie jagten. Außerdem – der Schatten schwankte nicht, sprang auch nicht, bewegte sich aufrecht wie ein Mensch.
    Sie behielt ihn im Auge, er kam näher – Charlondo?
    Zuerst war es nur eine wilde Hoffnung, für die sie sich schämte, doch als die Gestalt bis auf sechzig Schritte herangekommen war, gab es keinen Zweifel mehr: Charlondo! Niemand bewegte sich so zielstrebig, kein Mann war so groß, er musste es sein. »Charlondo«, flüsterte sie. »Geliebter…«
    Sie weinte, als er bei ihr war, drückte ihre Stirn an seine Brust, als er sich streckte, um ihre Fesseln zu zerschneiden. »Mein Geliebter, mein Geliebter… was tust du da? Wir dürfen das nicht! Sie werden den ganzen Stamm töten, wenn ich nicht in den Turm gehe …« Sie schlang die freien Arme um ihn. »Wenigstens kann ich dich noch einmal an mich drücken! Oh, wie habe ich mir das gewünscht!«
    Nur einen Atemzug lang standen sie eng umschlungen, dann machte Charlondo sich von ihr los. »Sie sind schon auf dem Weg hierher, um dich zu holen! Wir müssen weg von hier!«
    »Nein, Geliebter, das dürfen wir nicht!« Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah sie ihn an. »Wir Moscherunen haben nicht genug Männer und Waffen, um gegen sie Krieg zu führen! Ich muss in den Turm, ich muss , verstehst du nicht?«
    »Fliehe mit mir, Ballaya!« Er versuchte sie vom Schutzpfandstein wegzuziehen. »Ich flehe dich an! Wie soll ich ohne dich leben?« Er wollte sie mit sich ziehen, doch kaum hatte er sich umgedreht, sahen sie die Turmherren durch die Schwaden des Morgendunstes marschieren.
    »Dorthin!« Charlondo deutete Richtung Sonnenaufgang, wo die Silhouetten des ewigen Turms sich vor dem blassen Morgenhimmel abzeichneten. »Wir müssen einen Bogen um die Lichtung schlagen!«
    Ein Sirren wie aus dem Nichts, ein hässliches Geräusch von zerreißendem Fleisch – Charlondo schrie auf, ging in die Knie und griff nach einem Pfeil, der in der Außenseite seines Oberschenkels zitterte. Ballaya ließ sich fallen und kauerte sich im Gestrüpp zusammen.
    Zwei Pfeile schlugen rechts und links von ihr ein, ein dritter prallte gegen den Schutzpfandstein. Funken sprühten, Farbe und Steine splitterten ab. Sie sprang auf, packte Charlondo, riss ihn hoch und zerrte ihn hinter den Stein. Pfeile schlugen hinter ihnen im Gestrüpp ein und prallten an ihrer Deckung ab.
    »Lauf!« Charlondo packte den Pfeilschaft in seinem Schenkel und brach ihn ab. »Lauf, so schnell du kannst!«
    Er warf seinen Mantel ab und spannte seinen eigenen Bogen.
    »Sie werden dich töten, Geliebter, sie werden…!«
    »Lauf ein paar Speerwürfe weit in die Richtung des Turms!«, unterbrach er sie barsch. »Dort werden sie dich am wenigsten vermuten! Dann umgehe den Wald und die Lichtung, orientiere dich nach Sonnenuntergang. Irgendwann erreichst du den Fluss…«
    »Ich lasse dich nicht allein, niemals!« Ballaya klammerte sich an ihm fest.
    »Wenn du mich liebst, gehst du!« Er zog seinen Dolch, drückte ihn in ihre Hand und schob sie hinter sich in den Ruinendschungel. »Ich will, dass du lebst!« Er richtete sich auf, spähte aus der Deckung und schoss den ersten Pfeil ab. »Sie sind nur noch höchstens dreihundert Schritte entfernt!«, zischte er. »Lauf! Tu es für mich! Ich halte sie auf, so lange ich kann!« Er legte den nächsten Pfeil in die Sehne.
    Ballaya biss sich auf die Unterlippe, drehte sich um und kroch ins Unterholz zwischen Mauerresten und Büschen.
    Tief ins Gestrüpp geduckt, kletterte sie einen Geröllhaufen hinauf. Oben drehte sie sich noch einmal um – Pfeil um Pfeil schoss Charlondo auf die Kämpfer des Kometenfürsten. Nur noch sieben Gegner zählte Ballaya. Sie hatten sich in zwei Gruppen geteilt, pirschten sich in weitem Bogen an den Schutzpfandstein heran und versuchten ihn in die Zange zu nehmen. Am Waldrand tauchten weitere Gestalten auf. Gut zwei Dutzend Turmherren stürmten auf die Lichtung.
    Als hätte Charlondo ihren Blick gespürt, drehte er sich um. Er entdeckte sie sofort. »Flieh! Ich halte sie auf, so lange ich kann! Das ist der letzte Beweis meiner Liebe, den ich dir geben kann! Flieh! Ich will, dass du lebst! Bitte!«
    Sie duckte sich und kroch tiefer ins Unterholz. Tränen schossen ihr aus den Augen. Charlondo hatte keine Chance, sie wusste es genau und klammerte sich dennoch an die verzweifelte Hoffnung ihres wild schlagenden Herzens. Auf Knien und Ellenbogen arbeitete sie sich durch eine Dornenhecke. Die Dornen zerrissen ihre

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