181 - Der ewige Turm
und so weiter. Ein Fischer hat euch in seiner Hütte aufgenommen, seine Frau und seine Töchter haben dich versorgt. Ein paar Wochen lang hast du dem Fischer bei der Arbeit geholfen, als du kuriert warst. Sieben Wochen genau warst du bei der Familie, dann hat er dich rausgeschmissen, weil dir die älteste Tochter schöne Augen gemacht hat.«
Jedes Wort stimmte. »Du kennst die Familie?« Rulfan runzelte die Stirn. Mit geschwellten Segeln glitt die Feuerbraut aufs offene Meer hinaus.
»Danach seid ihr die Küste heruntergezogen, du und dein Lupa. Du hast ein Schiff nach Ausala gesucht, zwölf Wochen lang. Aber die Leute lassen sich ihre Dienste teuer bezahlen, wenn Fremde sie brauchen. Also hast du eine Zeitlang als Geleitschutz einer Handelskarawane gearbeitet, danach als Leibwächter eines Scheiko, und schließlich warst du in den Küstenwäldern als Pelzjäger unterwegs. Du bist hinter einer Frau her, die den Ruf des brennenden Felsen gehört hat.«
Aus schmalen Augen belauerte Rulfan den kleinen drahtigen Mann in dem schwarzen Pelzmantel. Ein Reißverschluss ging durch seine Miene, als er begriff.
Cahai schien seine Verblüffung zu genießen. Er lachte laut und meckernd. »Ich lade nicht jeden ein, mit mir auf meinem Wagen zu fahren!«, rief er. »Ich schaue erst einmal hinter die Stirn der Leute!«
»Deswegen also hast du ein Spiel nach dem anderen gewonnen«, knurrte der Albino.
»Natürlich! Ich kannte ihre Karten! Da, wo ich herkomme, lebe ich davon!«
»Ich mag es nicht, wenn man mir in den Gedanken herumschnüffelt«, sagte Rulfan grimmig. »Hör auf damit, klar?«
Cahai grinste nur, stieß sich von der Reling ab und schlenderte backbords Richtung Heck. Rulfan ließ sich an der Bugreling auf die Planken sinken. Der Bursche war ihm auf einmal unangenehm. Er entrollte seine Felle und Decken und legte sich auf den Rücken. Die Nacht über hatten sie die Anlegestellen entlang der Küste nach einem auslaufenden Schiff abgesucht. Er hatte kein Auge zugemacht.
Chira drückte ihm die feuchte Schnauze in die Kehle, stieß ein zärtliches Winseln aus und streckte sich zwei Schritte entfernt von seinem Lager zwischen den Holmen der spitz aufeinander zulaufenden Backbord- und Steuerbordrelings aus. Niemand würde sich ihrem Herrn nähern können, ohne über sie hinweg zu steigen.
Rulfan blinzelte eine Zeitlang in die vorüber ziehenden Wolken. Er beschloss, sich von dem telepathisch begabten Spieler zu trennen, sobald das Schiff in Sumra vor Anker gegangen war. Er traute Cahai nicht mehr.
Das Rauschen des Windes in den Segeln schläferte ihn ein. Bald sank er in einen traumlosen Schlaf.
Geschrei, metallenes Klirren und Chiras Gebell weckten ihn Stunden später. Rulfan fuhr hoch und griff nach seinem Schwert. An Bord wurde gekämpft! Piraten? Er sprang auf die Füße und sah sich um – nirgendwo ein fremdes Schiff! Breitbeinig stand er hinter dem heiser bellenden Lupa und versuchte sich zu orientieren. Am Treppenaufgang zum Ruderhaus drangen zwei Seeleute mit Schwertern auf den Kapitän ein. Eine Meuterei?
Sulbar brüllte vor Wut und wehrte sich mit einem langen Säbel. In seinem Rücken schlich sich mit gezücktem Dolch ein dritter Matrose an. »Vorsicht!«, brüllte Rulfan. »Hinter dir!« Er stürmte los. Aus den Augenwinkeln entdeckte er Cahai – oben auf der Brücke vor dem Ruderhaus hieb er mit dem Säbel auf den Steuermann ein.
Die beiden Seeleute, die den Kapitän bedrängten, wirbelten herum. Einem fuhr Chira an die Kehle, bevor er zum Schlag ausholen konnte, dem zweiten setzte Rulfan mit kraftvollen Schwerthieben zu, sodass er zurückwich und gegen die Reling stieß. Sulbar selbst bohrte dem Angreifer hinter ihm den Säbel in die Brust.
Rulfans Gegner stürzte schreiend über die Reling ins Meer.
»Du hast die Falschen erwischt!«, brüllte Cahai von der Brücke herab. »Wir kämpfen auf der Seite der Meuterer!«
»Dann kämpfst du gegen mich!«, brüllte Rulfan zurück.
Von allen Seiten rückten sie bald gegen ihn und den Kapitän vor. Die beiden Männer kämpften Rücken an Rücken. Die Klingen knallten aufeinander, Funken sprühten und Chira schnappte nach den Waden der Angreifer. Doch die Überzahl war erdrückend; fast die gesamte Mannschaft schien sich gegen den Kapitän und den Steuermann erhoben zu haben.
»Gib auf, Sulbar!«, schrie Cahai. »Deine letzten Getreuen haben sich ergeben oder sind tot! Nur ihr beide habt die Waffen noch nicht niedergelegt! Gebt auf!«
»Bastard!«,
Weitere Kostenlose Bücher