1811 - Der Vogelmensch
kommst?«
»Ja.«
»Allein?«
»Ich denke schon.«
»Dann kannst du ja heute Nachmittag schon in Dundee landen.«
»Genau daran habe ich auch gedacht …«
***
Die Sterne waren es, an die sich Carlotta erinnerte, als sie erwachte. Aber nicht die Sterne am Himmel, sondern die, die vor ihren Augen aufgezuckt waren, bevor sie dann in die Tiefe der Bewusstlosigkeit gefallen war. Und die fiel jetzt allmählich von ihr ab. Aus dem schwarzen Kanal tauchte sie wieder hoch.
Sogar die Augen konnte sie öffnen, und mit dem Öffnen der Augen kamen die Schmerzen, die in ihren Kopf stiegen und sich dort ausbreiteten.
Sie brachten auch die Erinnerung zurück. Es war alles so schnell abgelaufen, und niemand hatte ihr helfen können. Auch Maxine nicht, die zurückgekommen war. Der Vogelmensch war stärker gewesen und hatte sie mitgenommen.
Und jetzt?
Sie wusste nicht, wo sie sich befand, zumindest lag sie auf einem harten Boden, und von einer Seite erwischte sie ein kalter Windzug. Wenn sie sich umschaute, gab es nicht viel zu sehen, weil um sie herum kein Licht brannte, aber etwas sah sie doch. Über ihr befand sich eine Decke. Das war schon mal klar. Rechts und links von ihr gab es Wände, die ebenso dunkel waren wie die Decke.
Und es gab noch die vierte Seite. Diejenige, aus der sie die Kälte traf. Sie ging davon aus, dass dort eine Öffnung war. Genau konnte sie es nicht sehen, aber es musste einfach so sein.
Noch lag Carlotta still. Sie hatte sich auf den Rücken gedrückt und schaute nach oben gegen die Decke. Woher der kühle Wind genau kam, sah sie nicht, da hätte sie erst noch den Kopf drehen müssen und einen Teil des Körpers gleich mit.
Dann mache ich das doch!, sagte sie sich und startete zugleich den ersten Versuch.
Es klappte auch. Sie konnte sich auf den Bauch drehen, wobei sie gleichzeitig etwas gespürt hatte, das ihr nicht gefiel. Es war ein ungewohnter Druck am rechten Fußknöchel.
Dann wollte sie sich aufrichten.
Und plötzlich erwischten sie die Explosionen mit einer solchen Stärke, als wollten sie ihr den Schädel auseinandertreiben. Sie schrie auf, sie stöhnte, sie brach fast wieder zusammen und hielt sich nur mit äußerster Willenskraft in ihrer Position.
Sie musste abwarten. Auch mit dem Hinknien klappte das nicht so einfach.
Der Schlag gegen den Kopf hatte sie doch stark mitgenommen. Aber die Schmerzen blieben nicht. Es dauerte gar nicht mal so lange, da schwächten sie sich ab. Zwar geschah das nicht von einem Augenblick zum anderen, es ging langsam, aber das machte ihr nichts aus.
Sie musste Zeit verstreichen lassen, auch wenn ihr das schwerfiel, weil sie schon sehr ungeduldig war. Sie wollte hier weg. Einfach laufen und dann …
Nein, und nochmals nein. Der Verstand sagte ihr, dass es so nicht klappte. Da gab es noch andere Hindernisse zu überwinden. So leicht würde man sie nicht laufen lassen.
Okay, die Schmerzen ließen sich jetzt ertragen.
Sie hatte sich drehen können und schaute jetzt in die Richtung, aus der die Kälte sie erreichte. Da konnte man den Eindruck bekommen, dass sich dort ein Ausgang befand, eine offene Tür, ein Tor oder was auch immer.
Da muss ich hin!
Es war der Satz, der sie antrieb.
Freiheit! Weg aus dieser Umgebung, die sie nicht mal richtig kannte.
Und sie kroch vor!
Ja, sie kroch. Sie wäre gern aufgestanden, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen. Der Schwindel konnte zurückkehren, dann war es aus. Dann würde sie zu Boden fallen, aber in einem anderen Zustand als dem jetzigen.
Also blieb sie in ihrer Position. Sie kam auch voran, aber etwas störte sie schon. Es war ein Geräusch, das immer hinter ihr aufklang und sich auch vom Ton her nicht veränderte. Man konnte von einem schwachen Klirren sprechen, und der Vergleich mit den Gliedern einer Kette kam ihr in den Sinn.
Sie wollte aber nicht anhalten, denn es lockte sie schon, was da vorn zu sehen war. Da gab es eine andere Umgebung als die, in der sie sich befand.
Kein Gefängnis.
Die Freiheit!
Sie wollte weg aus dieser Umgebung. Sie beeilte sich noch mehr und spürte auch den Wind stärker.
Es war nicht mehr weit.
Sie kroch weiter und atmete ruhig, um so ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Alles war für sie plötzlich möglich.
Und dann sah sie es.
Ja, das war die Freiheit!
Ihr Blick fiel nach vorn, und es war ihr auch egal, dass sie in der Dunkelheit nichts sah. Aber da wehte ihr der kalte Wind der Freiheit entgegen.
Carlotta versuchte abzuschätzen, wie lange sie
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