1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Franzosen, Tür und Tor geöffnet und jede Laune gewährt wurde. Aus diesem Gesichtspunkt ist auch sein leidenschaftlicher Kampf gegen Spontini zu betrachten. Gegen ihn schleuderte er 1827 eine heftige Broschüre »Über mein Verhältnis als Kritiker zu Herrn Spontini als ersten Komponisten usw. nebst einem vergnüglichen Anhang«,und er führte diesen Kampf als eine heilige Sache zum Schutz der deutschen Musik, die er von dem mächtigen Generalmusikdirektor auf dem hervorragendsten Posten Deutschlands ungebührlich vernachlässigt sah, mit hartnäckiger Konsequenz. »Meine Schrift gegen Spontini«, schrieb er am 12. November 1827 an seinen Verleger Brockhaus, »ist hier schon verboten noch ehe sie erschienen ist. Mir ist es lieb für die Sache, denn offenbar liegt darin das Bekenntnis, daß man mit Gründen nichts dagegen vermag. Aber es empört, daß die Schlechtigkeit so durch die Staatsgewalt beschützt wird. Trotz alledem bin ich überzeugt, daß die Schrift, da sie nur Wahrheit enthält und gegen alle Verbote erst desto mehr verbreitet werden wird, Spontini gewaltig schaden wird, selbst beim Könige.« So leicht war aber der Allgewaltige nicht aus dem Sattel zu heben; er hatte einen mächtigen Rückhalt an dem preußischen König, der für Spontinis Musik schwärmte. Rellstab ließ aber nicht nach, und schließlich holte auch Spontini zu einem Schlage aus: durch ein persönliches hartes Zusammentreffen erbittert, sammelte er alle Kritiken, die Rellstab gegen ihn geschrieben hatte, und strengte nicht weniger als fünfzehn Injurienklagen gegen ihn an. Das Kammergericht sah zwar darin nur ein einheitliches Vergehen, verurteilte aber den Kritiker zu sechs Wochen Haft. Die öffentliche Meinung stand hierbei durchaus auf Seite des letztern. Man wollte die Kosten des Spontini-Prozesses durch Subskription decken, und als kurz nach Rellstabs Freilassung sein Trauerspiel »Die Venetianer« auf dem Königlichen Theater am 13. Februar 1837 aufgeführt wurde, brachte das Publikum dem Dichter und unbestechlichen Kritiker eine ostentative Huldigung dar. War er auch in Wirklichkeit unterlegen, so war der moralische Sieg dennoch sein. Übrigens gab er später selbst zu, daß er »bei diesen redlichen Kämpfen für Kunst und wahres Recht der deutschen Künstler sich der Schuld zeihen müsse, mit unvorsichtig gebrauchten Waffen und zu leidenschaftlich gefochten zu haben«. Nicht vergessen soll es Rellstab schließlich werden, daß er ein unerbittlicher Feind aller künstlerischen Industrie und jedes reklamehaften Scharlatanismus gewesen ist. Auch war er bei aller Einseitigkeit bereit, sich belehren zu lassen und hat sich nicht eigensinnig an einem einmal ausgesprochenen Urteil festgeklammert; er hat seine Ansichten mehrfach gewechselt entsprechend dem Wort eines geistreichen Franzosen, daß der nie eine Ansicht besessen, der sie nie gewechselt.
Als Operndichter ist Rellstab nach seinen ersten jugendlichen Versuchen und trotz der aufmunternden Verheißungen von Weber, Beethoven und andern nicht weiter hervorgetreten. Sein späterer Text zu Meyerbeers »Feldlager in Schlesien«, das am 7. Dezember 1844 zur Eröffnung des neuen Opernhauses in Berlin aufgeführt wurde, kommt kaum in Betracht. Er war so sehr Gelegenheitsarbeit, daß man sogar wissen wollte, der Plan dazu stamme vom Könige selbst, und Tieck und Raupach hätten daran mitgearbeitet. Die Hauptsache dabei war die pomphafte Vorführung der historischen Kostüme aus dem Siebenjährigen Krieg. Nur insofern war diese Dichtung von Interesse, als sie ein Mitglied des preußischen Königshauses, Friedrich den Großen, flötespielend auf die Bühne bringen wollte, was bekanntlich noch heute verboten ist. Im letzten Augenblick schritt denn auch die Zensur ein, und der große König mußte seine Flöte hinter dem Vorhang blasen; die schlagfertigen Berliner fanden darauf sofort den Witz: »Der alte Fritz ist flöten gegangen.«
Rellstab hat daher der Musik keine neuen Ziele gesteckt, aber er hat mit redlichem Eifer dafür gekämpft, daß die großen klassischen Werke einer ältern deutschen Periode nicht in Vergessenheit gerieten und recht gewürdigt wurden. Seine historische Bedeutung liegt deshalb weniger in seinen kritischen und programmatischen Aufsätzen für die Zeitschrift »Iris«, als vielmehr gerade in seiner kritischen Tätigkeit für die »Vossische Zeitung«, wo er als populärer Berichterstatter durch Lebendigkeit des Stils, Wärme der Darstellung und Verständnis
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