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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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an das Herz des Bruders. »Die Minuten sind verronnen, ich muß fort!« Entschlossen wandte er sich rasch hinweg.
    Da riß sich Lodoiska aus ihrer dumpfen Erstarrung auf; angstvoll schmerzlich rief sie: »Willst du mich vergessen?« und wankte auf ihn zu. Er fing die Niedersinkende in seine Arme auf. »Nein, nein, du holde, bleiche Rose! Wie sollte ich dein vergessen!« sprach er weich, und drückte sie mit väterlicher Zärtlichkeit an die Brust. »Aber Tränen habe ich nicht für deinen Jammer – Tränen sind zu arm!«
    Sie hing sprachlos in unzertrennlicher Umarmung an seinem Herzen; das reiche Haar wallte ihr aufgelöst herab; fester und fester drückte sie das Antlitz an seine väterliche Brust. Doch ermattet sanken die Knie unter ihr ein, das bleiche Haupt fiel zurück, und mit geschlossenen Augen ruhte sie leblos in seinen Armen. Er ließ sie sanft auf einen Sessel gleiten, drückte noch einen Kuß auf ihre Marmorstirn und ging dann mit raschen Schritten der Tür zu. Bernhard und Ludwig wollten ihm folgen, doch er machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, rief überwältigt mit fast erstickter Stimme: »Es ist genug!« und eilte hinab.
    Marie eilte ans Fenster, um ihm noch einen Blick der Liebe nachzusenden. Auf den Gassen stürzten Volk und Soldaten in wildem Getümmel durcheinander. Rasinski trat unter einen dichten Haufen und warf sich mit dem Übergewicht seines herrschenden Geistes sogleich zum Führer auf. Den Säbel ziehend schritt er voran, nach dem Innern der Stadt zu. Vergeblich harrte Marie, daß er das Antlitz noch einmal zurückwenden solle. Er tat es nicht; die Brücke, die ihn mit den lieblichern Ufern des Lebens verband, hatte er jetzt hinter sich abgeworfen und wandte nun auch selbst das Auge nicht mehr zurück, denn sich erweichender Sehnsucht fruchtlos hinzugeben war nicht in seiner Art. Der schwesterlichen Brust, den Armen der Freundschaft, der Liebe hatte ihn seine strenge Pflicht entrissen; nun folgte er ihr allein und zeigte den Kriegern nur das eherne, unerschütterte Antlitz des Helden. Der brausende Strom des Kampfes führte ihn schnell hinweg und schlug mit kühlenden Wogen an seine Brust. Schon drang der Feind vor und griff die Stadt von allen Seiten an. Kanonendonner erschütterte die Gebäude, Trommeln hallten in allen Gassen, Angstgeschrei der Weiber, Klageruf der Verwundeten teilte die Lüfte.
    Der unnennbare Schmerz, der die Brust der Frauen ganz erfüllte, ließ der schwächern Empfindung der Angst keinen Raum. Lodoiska hörte kaum das brausende Getümmel auf den Gassen, in so starren Banden der Betäubung lag ihre Seele. Die Gräfin war auf jedes Äußerste gefaßt, sie hoffte und fürchtete nichts mehr; Bianka und Marie schlossen sich trostsuchend an die Brüder an, die allein noch Raum zur Sorge in der Brust behielten und den Gang des Gefechtes verfolgten.
    Plötzlich krachten Flintenschüsse dicht vor dem Hause, und ein wildes Gebrause von Stimmen erhob sich. Bernhard sprang ans Fenster. »Die Stadt muß umgangen sein,« rief er; »das sind Kosaken, die hier hereinsprengen.« In der Tat drang eine Abteilung Kosaken in das Tor und griff eine kleine Schar von Franzosen, die eben durch dasselbe den Ausgang aus der Stadt suchten, an. Doch diese setzten sich, obwohl auseinander gesprengt, entschlossen zur Wehr, und so wurde der Raum unmittelbar vor dem Hause zum Kampfplatze zwischen einzelnen.
    »Zieht euch zurück in die Gemächer nach dem Hofe,« bat Ludwig die Frauen; »wie leicht könnten hier Kugeln hereinschlagen.« – »So darfst auch du hier nicht weilen,« erwiderte Bianka; »wo du bleibst, bleiben wir.« – »Heiliger Gott, ich sehe Rasinski«, rief Bernhard plötzlich, und gleich darauf ertönte eine starke Musketensalve.
    Alle, selbst Lodoiska, eilten auf Bernhards Ruf den Fenstern zu. »Wo?« fragte die Gräfin. »Wo ist mein Bruder?« – »Dort, wo die geschlossene Infanterie anrückt, sah ich ihn mitten im Pulverdampf zu Pferd,« erwiderte Bernhard; »aber jetzt ist er in der Wolke verschwunden!« – »Allmächtiger Gott, breite deine Schwingen über ihn«, betete Marie und warf sich auf die Knie.
    »Da ist er, da ist er, jetzt sprengt er hervor«, ertönte Bernhards freudiger Ruf. – »Wie kommt er aber zu Pferd?« fragte Ludwig erstaunt. – »Beute! Beute! Es ist ein Kosakenpferd!« rief Bernhard und das Feuer der Kampfeslust rötete seine Wangen. »Hinter ihm hält der Marschall Ney. Siehst du dort? Sie wollen hier durchbrechen!«
    Die Frauen

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