Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
Herz sich ihr weiter öffnete, wärmer und inniger wurde. In Bernhard war eine ernste Umwandlung vorgegangen. Es wurde allmählich ruhiger und klarer in ihm. Wie edler Wein läuterte sich die stürmische Glut der Gärung zu einem klaren, dauernden Feuer. Schon die furchtbaren Kämpfe hatten die überströmende Fülle herber Kraft gemildert und eine ernstere Ruhe der Betrachtung in sein Herz gesenkt. Doch noch tiefer drang jetzt der reine Strahl der Liebe in seine wogende, ungebändigte Brust ein, und ihre Wellen ebneten sich, als trügen sie Scheu, das heilige Bild seiner Verehrung getrübt zurückzuwerfen. Die besänftigende Macht, mit der früher schon Biankas schwesterliche Nähe auf ihn wirkte, übte Marie jetzt in höherm Maße. So tief und schmerzlich die Glut in ihm brannte, er beherrschte sie männlich, als suche er Mariens Liebe durch seine Beherrschung und Entsagung zu verdienen. Er hatte in das innerste Heiligtum ihrer Seele geblickt, und wie der Edle den Edlen leicht errät und versteht, so ahnte auch er alle die Kämpfe, die sie bestanden, und begriff, weshalb sie gekämpft. Ihre vaterländische Begeisterung, die jetzt in neuen, schönen Hoffnungen auflebte, kannte er und wußte, welche Opfer sie ihr zu bringen vermochte. Hoffnungen für seine Liebe wagte er nur entfernt zu nähren, doch er hatte die Gewißheit ihrer wärmsten Freundschaft und darum wollte er jetzt nicht weiter in sie dringen; denn er ehrte den Schmerz der noch immer stillblutenden Wunden ihrer Seele, die, durch die heilende Kraft der Entsagung kaum geschlossen, von der Hand des Schicksals jüngst so grausam wieder aufgerissen waren. Sie dankte ihm diese großmütige Zurückhaltung mit innerster Rührung, denn ihr war nicht verborgen, mit welchem Kampf er sie errang.
    Je ehrfurchtsvoller daher Bernhard zurücktrat, je näher mußte sich Marie zn ihm gezogen, je heiliger ihm verpflichtet fühlen. Vielleicht hatte sie es nicht über sich vermocht, seiner heißesten Bitte ihr Herz zu gewähren; doch da er still und streng entsagte, wandte sie es ihm selbst darbringend näher und inniger zu, und mit jedem Augenblick fühlte sie die Pflicht stärker, dessen Glück hingebend zu gründen, der es ihr so männlich edel zu opfern vermochte. Je mehr ihr die Liebe Pflicht wurde, je mehr wurde ihr die Pflicht Liebe. So entfaltete sich die reine schönste Blüte edler Neigung im warmen, milden Strahl der Dankbarkeit und höchsten Achtung. Nur noch der leise, zartgewebte Schleier ihrer jungfräulichen Scheu und seiner heiligen Ehrfurcht verhüllte den liebenden Herzen das süßeste Geheimnis. Er wagte die Blüte nicht zu berühren, die sie ihm mit schüchtern gesenktem Kelch entgegenneigte. In diesem schwebenden bangen Glück weilten jetzt ihre Herzen; doch still und unbemerkt zeitigt sich die köstlichste Frucht, und prangt sie in vollendeter Fülle, so fällt sie, eine reine Gabe des Himmels, beim leisesten Hauch günstiger Liebe wie von selbst in den offenen Schoß herab. Die Saaten der Weltgeschichte reiften der Sichel golden entgegen; in derselben Sonne füllte sich die Purpurrose der Liebe.
    Schon regte es sich mächtig in allen deutschen Herzen; man fühlte den ehernen Druck des Joches, das so lange auf dem Nacken gelastet hatte, einen Augenblick gelüftet, und stolz und frei und hoffnungsgroß atmete die Brust auf.
    Eines Abends, als die Geschwister im trauten Verein beisammensaßen, pochte es bei später Weile an die Tür. Sie öffnete sich auf Ludwigs Ruf. Arnheim trat ein. Ein Erröten und Erblassen überflog Mariens Wangen, als sie ihn erblickte. In diesem Augenblicke ahnte sie aus dem Unterschiede ihrer Gesinnung gegen ihn und gegen Bernhard ihre Liebe zu diesem. Der Kommende ging ihr, als der einzigen, die er in diesem Kreise kannte, grüßend näher und redete sie an: »Kaum traute ich meinen Augen, als ich Sie diesen Nachmittag in der Dämmerung hier am Fenster erblickte; ich erfuhr bald, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Erlauben Sie, daß ich meinen kühnen Besuch durch eine freudige Nachricht entschuldige, die ich gerade Ihnen so schnell als möglich zu verkünden mich verpflichtet fühlte.«
    »Seien Sie in jedem Falle willkommen geheißen,« erwiderte Marie, »und doppelt willkommen, wenn Sie eine freudige Kunde für unser Vaterland bringen.« Hierauf machte sie ihn mit ihrem Bruder, mit Bianka und Bernhard bekannt.
    »Sie erinnern sich, daß ich Ihnen schon in Warschau von einem geheimen vaterländischen Bündnis erzählte,«

Weitere Kostenlose Bücher