1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
begann Arnheim; »jetzt ist es Zeit, freier davon zu sprechen, denn die Stunde, wo es Früchte tragen soll, ist gekommen. Deutschland wird aufstehen in seiner Kraft; das ganze Volk soll zu den Waffen gerufen werden. Preußen schreitet mächtig voran. Mein Vaterland ist noch durch andere, hinterlistig geknüpfte politische Bande gekettet; doch es ist Hoffnung da, daß auch Österreich sie gewaltsam zerreiße. Bis dahin, wo es als Freies und Ganzes auftreten will, begnügt es sich, die Gesinnung der einzelnen für die heilige Sache zu entflammen und ihre Entschlüsse zu unterstützen. So bin ich seit einigen Wochen bereits aus dem Dienst meines Kaisers in den des Königs von Preußen getreten. Die Führer unsers Bundes hatten schon seit längerer Zeit die Weisung erhalten, auf einen entscheidenden Schritt des Königs vorbereitet zu sein. Heute, vor einer Stunde ist endlich die sehnlich erwartete Nachricht eingetroffen, daß er geschehen ist. Preußens König redet mächtig zu seinem Volk; er ruft es herbei zum Kampfe für das Heiligtum des Herdes, des Vaterlandes, der Freiheit. Ein heiliger Krieg entflammt sich, wo die Völker ihre teuersten, so lange mißkannten Rechte mit ihrem Blute wiedererringen werden; ein Krieg, der den Fallenden die Palme des Märtyrers, den Siegern die des ewigen Ruhmes reicht! So wird denn unser Vaterland endlich erlöst werden aus den Ketten der Schmach und des Elends! Diese stolze Freude hebt meine Brust und läßt mich, was ich an eigenem Schmerz zu tragen habe, über das große Glück des Ganzen vergessen.« Er warf bei diesen letzten Worten einen bedeutsamen Blick auf Marien, den diese nur zu wohl verstand. »Sie,« fuhr er zu ihr gewendet fort, »habe ich als eine solche Tochter des Vaterlandes kennen gelernt, daß ich es, lächeln Sie nur, für eine heilbedeutende Fügung des Himmels hielt, Sie gerade in diesem Augenblick unvermutet wiederzufinden, wo ich Ihnen eine solche Botschaft bringen konnte.«
»O nehmen Sie meinen innigsten Dank«, erwiderte Marie gerührt, und ein lichter Freudenglanz verklärte ihr Auge. »Welch eine Morgenröte lassen Ihre Worte an dem düstern Himmel unsers Vaterlandes anbrechen!«
»Und eine herrliche Sonne wird schimmernd aufgehen«, rief Ludwig begeistert aus. »Jetzt, jetzt erst kommen die Tage, wo ich frei und glücklich atme! Selbst meine Liebe blüht erst voll und duftend in diesem neuen Licht! O Bianka, bisher warst du eine Blüte, deren Duft eine süße Frühlingsahnung in einen dunkeln, beängstigenden Kerker trug. Jetzt trifft uns der zitternde Morgenstrahl! Er fällt auf mein Herz wie auf Memnons Säule, daß es von wunderbaren Himmelsklängen tönt. Frische Lüfte umspielen Brust und Scheitel – der schwere Vorhang des Gewölkes zerreißt, und im Morgenglanz der Freiheit liegt die reiche Frühlingsflur, strahlend in der Perlenhülle des klarsten Himmelstaues! O Bianka, welche Tage brechen für uns an!«
Bernhard hatte ernst, aber tief durchglüht und erwärmt Arnheims Botschaft vernommen. »Ich trete in die Reihen der Kämpfer«, sprach er mit unwiderruflicher Entschlossenheit und reichte Arnheim die Hand. – »Und ich fechte an deiner Seite«, rief Ludwig feurig. »Jetzt werden wir erst erfahren, mit welchem Gefühl ein Mann die Donner der Schlacht um sich rollen hört! O! nun segne ich das Jahr der Duldung, das wir überstanden; denn es war unsere strenge, lehrreiche Schule. Doppelt kann ich jetzt das Unrecht vergüten, das ich wider Willen dem Vaterlande zugefügt. Gehärtet in dem furchtbaren Kampfe, der hinter uns liegt, wiegen wir das Dreifache für den, welchen die Zukunft uns bereitet. Nicht mehr Neulinge, erprobte Männer, gestählt in Gefahren und Drangsalen, wissen wir jetzt unser Schwert zu führen. O wahrlich, Schwester, du sprachst wahr, der Rosenglanz des Morgenrots bricht durch die tiefste Nacht!«
Bernhard ging, während Ludwig sich seiner freien Begeisterung überließ, unruhig und gedankenvoll auf und nieder. »Ich fühle, was geschehen muß,« begann er endlich, »und ein edles Gefühl hebt auch meine Brust. Aber Freude kann ich es nicht nennen. Taten wir unrecht, an dem Kampfe dieses Jahres teilzunehmen, war es unsere höhere Pflicht, das Haupt auf den Block zu legen und als wehrlose Opfer der Arglist zu fallen, so trifft uns jetzt auch die Nemesis. Und sie trifft schwer!«
Marie ahnte die Gedanken, die sich in Bernhards Brust bewegten. Ludwig aber erwiderte: »Ich verstehe dich nicht, Bernhard; welche Nemesis siehst
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