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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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näher, sie sank, überdrängt von seiner edeln Liebe, weinend an sein Herz. Bernhard drückte einen sanften Kuß auf ihre Stirn, dann sprach er fest: »Nein, du Holde, jetzt fordere ich das entscheidende Wort nicht von dir, vor dem die Blüten meines Lebensglücks sich duftend öffnen oder welkend fallen sollen. Nicht der überwältigende Sturm des Augenblicks soll es dir entreißen! Du mußt wissen, ob deine tiefe Wunde heilen konnte. Aber der Tag der Wiederkehr wird nahen; diese leuchtende Sonne, die dort die Kuppeln beglänzt, verheißt ihn uns. Dann trete ich zu dir, Marie, und frage dich: Will das schönste Herz sich einem treuen widmen? – Doch jetzt nicht!« Mit diesen Worten riß er sich los und eilte mit Ludwig hinab. Marie sank weinend, betäubt an Biankas Brust. Jetzt hörten sie den Hufschlag der Rosse. Die Scharen setzten sich in Bewegung. Ludwig, Bernhard, Arnheim waren unter den Vordersten. Hehrer Glockenklang, wehende Tücher, jauchzender Jubelruf geleitete die Tapfern! Brausend wogte das erhobene Meer der Freude und trug auf seinen Wellen das Herz über die tiefsten Abgründe der Angst und Gefahr stolz dahin. Denn die Zeit war erfüllt, und die Saat gereift, und die Schnitter des Herrn zogen aus mit funkelnden Sicheln.
     
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    Letzte Worte. Sieg lautet die Verheißung, Sieg die Erfüllung! – Die Donner der letzten Freiheitsschlacht an Frankreichs Grenzen waren verhallt; zum zweiten Male wehten die heiligen Fahnen auf den Türmen von Paris. In den Schneewüsten Rußlands, unter dem rauhen Himmel seiner Winternachte hatte der Baum deutscher Freiheit die tiefen Wurzeln geschlagen; im Sturme der Heldenzeit wuchs er stolz empor; jetzt sollte die milde Sonne des Friedens seine Knospen öffnen, seine schattige Krone entfalten. Noch zitterten die Herzen bang in der Erinnerung an das dumpf nachdonnernde, fern hinabziehende Gewitter; doch der Himmel wölbte sich klar und blau über die Erde, und jede Brust blühte auf in süßen Hoffnungen. Selbst die Trauer um die Taufende gefallener Opfer wurde ein wehmutsvolles Glück; denn es war ja nur Blut der Erlösung geflossen.
    Alles, alles sollte diese Zeit versöhnen, jede Wunde heilen, jeden süßen Schmerz mit reinem Born kühlen – wehe denen, die ihn vergifteten!
     
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    Marie und Bianka hatten nach Ludwigs Wunsch auf dem stillen Landsitz bei Dresden, den die Schwester seiner Mutter bewohnte und wo freundliche Liebe der Jugendgenossinnen sie umgab, eine Zuflucht gesucht. Hier sahen Bernhard und Ludwig sie wieder; hier vollendete sich ihr Glück im süßen unauflöslichen Bunde. Denn auch Mariens Herz war durch Bernhards edle Treue und Größe ganz sein geworden, und die Rose ihrer Liebe, in der so lange die schweren Gewittertropfen schmerzlicher Tränen gestanden, glänzte jetzt von zitternden Tautropfen der Freude und entfaltete den duftenden Kelch in neu aufblühender Anmut.
    Nur eine Wolke lag trübe auf der Stirn der Glücklichen, die hier beisammen weilten. Der Tag des Friedens war gekommen; doch von dem edeln Freunde, der sich, seinem Vorsatz getreu, bis zu dieser Stunde streng von ihnen losgesagt, hatten sie nichts vernommen. Ein Brief an die Gräfin, den Ludwig seit mehreren Wochen nach Warschau geschrieben, blieb unbeantwortet. Sollte sie den Trefflichen betrauern? War er, wie der biedere Arnheim, wie der dichterische Jüngling Benno, unter den Opfern gefallen, die der Krieg blutig gefordert hatte? Diese neuen Bekümmernisse erfüllten die Herzen der Glückseligen.
    Eines Abends, gegen das Ende des August, als schon die Dämmerung ihren Schleier leise über den Glanz der gesunkenen Sonne zu ziehen begann, saßen Bernhard, Ludwig, Bianka und Marie vor dem Gartensaal beisammen. Sie erblickten von dem buschumkränzten Hügel einen Reisewagen, der die dicht am Garten vorbeiführende Landstraße daherkam. Er hielt an der Gartenpforte; sie öffnete sich, eine hohe weibliche Gestalt in Trauerkleidern trat ein und schritt auf die Erstaunten zu. »Ich sollte diese Juno kennen«, sprach Bernhard ahnungsvoll, da sie schon so nahe gekommen war, daß man ihre Züge hätte unterscheiden können, wenn sie nicht von dem Schleier verhüllt gewesen wären. – »Es ist die Gräfin!« rief plötzlich Marie, die sie am längsten und genauesten gekannt, und eilte ihr beklommen überrascht entgegen. – »Ja, ich bin es«, sprach die Kommende stillstehend und schlug den Schleier zurück; dann öffnete sie die Arme, um Marien zu empfangen, schloß sie heftig

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