1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)
sind seit 1861 errichtet worden, zunächst allein auf Initiative und auch eigene Kosten des Juristen und Publizisten, der damit rund um die Stadt die wichtigsten Orte des Geschehens von 1813 markieren wollte. Zu Apels Lebzeiten – er starb bereits 1867 im Alter von sechsundfünfzig Jahren – wurden vierundvierzig Apelsteine gesetzt, bis heute sind noch sechs dazugekommen, die letzten erst in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie haben unterschiedliche Größen, aber ein gemeinsames Programm: Auf der jeweiligen Vorderseite ist der Anlass der Errichtung genannt, hier auf dem Kolmberg die Schlacht bei Wachau vom 16. Oktober, auf der Rückseite sind die konkreten Heerführer vermerkt, die an der vom Erinnerungsmal markierten Stelle kommandierten, in diesem Fall Marschall Macdonald, der diese Höhe am Mittag des ersten Tags der Völkerschlacht eingenommen hatte. Außerdem finden sich die Truppenstärken der von ihnen befehligten Soldaten vermerkt. Die Apelsteine geben dabei durch ein N (für Napoleon) oder ein V (für die Verbündeten) deren Zugehörigkeit an, ergänzend weisen die an napoleonische Einheiten erinnernden Stelen eine Halbkugel als Abschluss auf, während Gedenksteine für die Alliierten eine Pyramide als Bekrönung tragen. Die Himmelsrichtungen sind auf den vier Seiten vermerkt, und durch Pfeile werden die Bewegungsrichtungen der genannten Truppen gekennzeichnet.
Im Vorgriff auf die großen Jubiläumsfeierlichkeiten des Jahres 2013 sind bereits jetzt die meisten Apelsteine restauriert worden. Auch der auf dem Kolmberg ist herausgeputzt, steht indes derart dicht am Waldrand, dass man ins Unterholz treten muss, um die rückseitige Aufschrift zu Macdonald, dem Herzog von Tarent, lesen zu können. Keinen Hinweis gibt es auf das eigentliche Kolmbergdenkmal, also geht es durch das von wildem Vogelgezwitscher erfüllte Wäldchen zur Nordwestecke der Anhöhe, die von hier ganz sanft nach Leipzig hin abfällt. Zwischen den Bäumen steht das verfallene Skelett eines ehedem gewaltigen Holzturms, dessen Funktion nicht mehr zu erschließen ist. Er hätte eine großartige Aussicht geboten, aber auch der normale Blick mit der Sonne im Rücken über die Felder, Alleebäume und Teiche hinüber zur Stadt ist beeindruckend. Dort unten dürfte sich seit 1813 nicht allzu viel geändert haben.
Vom Denkmal aber keine Spur. Also zur anderen Seite. Nach Südwesten und Süden hin zeigen sich die Wunden des letzten halben Jahrhunderts: die Braunkohle-Abbaugebiete, die tief eingeschnittene Autobahn, deren Lärm hier heraufbraust, obwohl der Berufsverkehr bereits nachgelassen hat. Es ist Viertel vor neun. Dann führt ein Trampelpfad zur Nordwestseite des Kolmbergs, und gleich rechts steht endlich der Steinquader auf einer kleinen Erhebung, die derart zugewachsen ist, dass man ihn erst aus zwei Metern Entfernung sieht, obwohl auch dieses Denkmal jüngst restauriert worden ist. Der alte Sandsteinblock von knapp anderthalb Metern Höhe bei einer Grundfläche von etwa einem Quadratmeter steht über zwei Stufen auf einem brutalistischen Kalksteinfundament, das der Konstruktion in ihrer engen bewaldeten Umgebung übermenschliche Ausmaße zu verleihen scheint. «Stätte des Kampfes zwischen Klenau und Macdonald» hat der 1841 gegründete «Verein zur Feier des 19. Oktober» eingravieren lassen – als hätte es hier oben bloß einen Zweikampf gegeben. Theodor Apel gehörte selbstverständlich diesem Zusammenschluss Leipziger Bürger an, die es sich im Zeichen deutschen Nationalbewusstseins zur Aufgabe gemacht hatten, den großen Sieg von 1813 im Gedächtnis späterer Generationen zu bewahren, doch fand er die Aktivitäten des Vereins unbefriedigend, nicht zuletzt wegen dessen Beschränkung auf die großen Namen, und hatte daraus gelernt, als er auf seinen eigenen Erinnerungssteinen immer auch die Mannschaftsstärken angeben ließ.
Das Kolmbergdenkmal, errichtet 1856, auf einer Darstellung des neunzehnten Jahrhunderts.
Die Fahrt hinunter vom Kolmberg gestaltet sich abermals schwierig, weil die nach Westen herabführende Straße vor einem Gatter endet, also geht es doch wieder zurück über den anscheinend einzigen nutzbaren Zugangsweg. Binnen weniger Minuten bin ich in Liebertwolkwitz, auch hier natürlich ein Apelstein, diesmal für Mortier, den Herzog von Treviso, der von hier aus am 16. Oktober das benachbarte Niederholz einnehmen sollte – ein heute verschwundenes Wäldchen auf dem Gelände der späteren
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