1817 - Der Nachtmahr
eigenen Atem, den ich nicht unterdrücken konnte.
Noch immer waren die Fragen nicht beantwortet, als ich einen Blick in den Wandspiegel warf. Er war nicht besonders groß. Ich konnte mich darin vom Kopf bis zum Bauch sehen.
Auch jetzt?
Plötzlich hatte ich meine Zweifel. Was ich vorhin noch gesehen hatte, das war jetzt nicht mehr vorhanden. Es ging um die Klarheit, die einfach verschwunden war. Damit hatte ich schon meine Probleme, und ich verstand nicht, warum die Spiegelfläche nicht mehr so glatt und blank war.
Sie hatte sich verändert. Wenn ich mich sehr konzentrierte, dann sah ich, dass sie etwas rauchig aussah. Auch leicht wellig, das konnte man ebenfalls sagen. Sie wirkte ganz anders, und auf mich machte sie einen fremden Eindruck.
Seltsam …
Aber nicht so ungewöhnlich, wenn ich an meinen Schlaf dachte. Da war ich auch in Gebiete getrieben worden, in denen die Gesetze dieser Welt nicht mehr gültig waren.
Der Spiegel also!
Ich ging auf ihn zu. Ich wollte aus der Nähe sehen, was sich darin verändert hatte. Je mehr ich mich dem Objekt näherte, umso klarer wurde die Sicht.
Da hatte sich in der Spiegelfläche etwas verändert. Sie lebte in ihrem Innern, aber es waren keine Wesen zu sehen, die es zu beschreiben gab. Es war etwas nicht Greifbares, das trotzdem vorhanden war, so wie dünnes dunkles Glas, das man zu einem Klumpen zusammengedrückt hatte.
Der Klumpen bewegte sich.
Er drehte sich auch.
Er wurde mal nach vorn gedrückt und dann wieder nach hinten und schwang wie ein zittriges Pendel.
Jetzt glitt es auf mich zu.
Und war durch.
Und ich erlebte den Aufprall!
***
Das hatte ich gedacht. Damit war auch zu rechnen gewesen, doch es war kein Aufprall, der mich im Gesicht und an der Brust erwischte.
Bevor es dazu kommen konnte, spürte ich wieder den bitteren Schmerz auf meiner Brust. Ich stöhnte unwillkürlich auf, drückte mich dabei in die Knie und bemerkte noch einen kalten Hauch, der für einen Moment meinen Kopf streifte und dann verschwunden war.
Danach war wieder alles normal. Nicht mal ein leichtes Schwindelgefühl spürte ich, als ich mich umdrehte, um das zu verfolgen, was mich angegriffen hatte.
Es war verschwunden. In meinem Zimmer sah ich den schwarzen Klumpen nicht mehr. Jetzt machte ich mir über ihn schon Gedanken. Es war ein magisches Phänomen, das in der Lage war, seine Seiten zu wechseln. Es fand sich in der Normalität zurecht, konnte aber auch aus anderen Dimensionen stammen.
Es war dunkel, es war kompakt, es konnte das sein, was man als Alb ansah. Ja, das war der Gestalt gewordene Albtraum, der Menschen so stark zu schaffen machen konnte.
Er war wieder verschwunden, doch darauf verließ ich mich nicht. Es konnte durchaus sein, dass er sich irgendwo verborgen hatte und abwartete, um irgendwann seine Zeichen zu setzen.
Sicherheitshalber schaute ich auch im Wohnzimmer nach. Es konnte ja sein, dass er dorthin gehuscht war, aber auch da war er nicht zu sehen. Ich musste keinen zweiten Blick riskieren. Es lag alles im grünen Bereich.
Dann schaute ich mir Helen Quests Gesicht aus der Nähe an. Es zeigte einen völlig entspannten Ausdruck. Diese Frau litt nicht unter irgendwelchen Albträumen.
War wieder alles okay?
Ja, nach außen hin sah es so aus.
Aber ich wollte nicht so recht daran glauben. Es war nichts wirklich in Ordnung.
Etwas war gekommen.
Woher? Ich wusste es nicht. Aus den Tiefen einer anderen Dimension oder aus dem, was man Hölle nannte? Damit hatte ich in der letzten Zeit öfter zu tun gehabt.
Jedenfalls ging hier einiges nicht mit rechten Dingen zu. Und das würde wohl auch nicht so schnell vorbei sein.
Ich musste dagegen etwas tun. Da gab es nur eine Möglichkeit. Ich durfte die Frau nicht aus den Augen lassen. Sie war jetzt möglicherweise der Einstieg, um noch weiter hinter die Vorgänge schauen zu können.
Ich hatte nicht vergessen, was mir Helen Quest von ihren weiteren Erlebnissen erzählt hatte. Da war es nicht nur bei diesem dunklen Alb geblieben, sie hatte auch von einem anderen Wesen gesprochen. Einem mit langen Zähnen.
Ich wartete einige Minuten ab.
Es geschah nichts. Kein Besucher erschien, und ich konnte auch wieder schlafen.
Ich sackte wieder weg, doch diesmal erlebte ich keine Albträume mehr und schlief so tief und fest wie lange nicht …
***
Genau das hatte auch seinen Nachteil.
Ich verschlief, und erst das Rütteln an der Schulter weckte mich richtig.
Ich schlug die Augen auf – und blickte in das über mir
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