1819 - Der vergessene Templer
wieder vor das Haus. Sein Blick erfasste das gleiche Bild, aber es hatte sich von der Farbe her schon verändert. Es war grauer geworden, düsterer, und trotzdem war es klar geblieben.
Er wusste, dass sich der Tag neigte und sich die Dämmerung bald über das Land senken würde. Das war dann ihre Zeit. Dann griffen sie gern an, das hatte er früher selbst getan. Er war nur gespannt darauf, mit wie vielen Helfern sie anrücken würden.
Aus einem Fass schöpfte er Wasser. Es schmeckte irgendwie abgestanden, aber das war jetzt auch nicht mehr wichtig, wo seine Todesstunde immer näher rückte.
Diaz blieb draußen vor der Hütte und lauschte. Der Wind brachte nur wenige Geräusche mit, da er kaum wehte. Es war eine seltsame Stille, die sich über diese kleine Welt gelegt hatte. Wenn er genau hinhörte, dann war die Musik des Meeres zu hören.
Den Helm hatte er abgenommen. Hätte er ihn auf seinem Kopf gelassen, hätte er sich zu stark von dieser Welt abgedrängt gefühlt.
Sie kamen.
Sie hatte die wenigen Häuser um den Hafen herum schon verlassen und ritten den Weg entlang, der sie bis zu seiner Hütte führen würde. Dort würde sich dann alles entscheiden.
Es ging weiter. Niemand würde sich dem Befehl widersetzen. Sie würden ihn holen und entweder noch vor der Hütte töten oder ihn mitnehmen und auf dem Schiff umbringen oder im Hafen. Es war alles möglich und genau das wollte Diaz nicht zulassen.
Das verbot ihm sein Stolz.
Und er war stolz. Ein Spanier, der in seiner Heimat eine gewisse Machtfülle besessen hatte. Diesen Stolz würde er sich auch von der anderen Seite nicht nehmen lassen.
Er wartete vor der Hütte auf sie. Sein Schwert hatte er gezogen. Sie sollten wissen, dass er sich nicht kampflos ergeben würde.
Es waren bereits ihre Pferde zu hören. Das Klappern der Hufe auf dem Boden. Nur wenig Staub wurde aufgewirbelt.
Diaz hoffte darauf, dem Anführer in die Augen schauen zu können. Er rechnete damit, dass Sinclair an der Seite der Männer ritt.
Es konnte aber auch sein, dass er unten am Hafen auf seine Leute wartete. Da hätte er dann die Gelegenheit gehabt, seinen Widersacher zu töten.
Diaz hatte andere Pläne, und er dachte wiederum nur an seinen neuen Gott, diesen Baphomet. Der Name drängte sich in seinen Kopf, und er wurde immer intensiver.
Er glaubte daran, dass eine Stimme mit ihm sprach. Es war nur ein Flüstern, aber das bekam er nicht aus dem Kopf. Die Stimme bedrängte ihn.
Du brauchst nicht zu ihnen. Du kannst auch zu mir kommen.
» Aha. Und wie?«, flüsterte er.
Wieder war da der Gedanke.
Das weißt du doch.
» Du meinst, ich soll …«
Genau das.
» Und was geschieht danach?«
Ein Lachen war zu hören. Das ist etwas Besonderes. Ich kann dir nur sagen, dass du es nicht bereuen wirst. Oder willst du in die Hände der anderen fallen?
»Nein, ganz und gar nicht.«
Dann tu, was ich dir gesagt habe.
Diaz gab keine Antwort mehr. Er war hin und her gerissen. Er wusste nicht, was gut war oder nicht. In seinem Kopf spürte er die Stiche, die nicht weichen wollten. Sie waren irgendwie als eine Botschaft zu verstehen, die sich immer stärker in sein Gedächtnis einhämmerte.
Kein Zurück mehr!
Dieser eine Satz schoss ihm durch den Kopf. Er hatte sich jetzt dazu entschlossen. Er wollte ein Beispiel sein, und er war jetzt froh, dass er sein Nahkampfschwert bei sich hatte. Es hatte eine kürzere Klinge und war besser zu handhaben.
Sie kamen.
Sie bildeten jetzt so etwas wie eine kleine Prozession. Diaz war nicht zurück in sein Haus gegangen. Er erwartete sie davor, und sein Gesicht zeigte einen konzentrierten und zugleich angespannten Ausdruck. Er wusste genau, welchen Weg er gehen würde. Davon ließ er sich von niemandem abhalten.
Sie ritten näher.
Sechs Leute hatte der Anführer geschickt. So viele hielt er für nötig, um Diaz zu stellen und dem Mörder die gerechte Strafe zu erteilen.
Sie hielten an, nachdem sie einen Kreis gebildet hatten. Jeder von ihnen war bewaffnet. Die meisten mit Schwertern. Andere wiederum trugen Lanzen, die sie gesenkt hatten, und so wiesen drei Spitzen auf den Templer.
Du musst es tun!
Ja, da hatte ihn wieder die Stimme erreicht. Er gab eine Antwort, indem er nickte.
Einer der Reiter sprach ihn an. Es war ein Mann mit einem mächtigen schwarzen Bart. Er sah finster aus. In der linken Hand hielt er sein Schwert. Sein Pferd tänzelte unruhig auf der Stelle.
»Was wollt ihr?«, fragte Diaz.
»Dich!«
Diaz lachte. »Warum gerade mich?
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