1821 - Invasion der Igelschiffe
anschwellende Gemurmel stärker werden konnte, hob Daniela die Stimme.
„Für uns besteht kein Grund zur Aufregung. Ihr wißt, daß wir autark sind. Wir haben alles, was wir brauchen. Notfalls können wir es hier unten zwei Monate lang aushalten."
„Technisch gesehen vielleicht", bemerkte jemand.
„Psychologisch doch wohl auch", fuhr Daniela dazwischen. „Oder hat jemand unter euch Angst?"
Im Hintergrund war ein sarkastisches Lachen zu hören.
„Die Frage lautet doch wohl in Wirklichkeit: Hat einer von euch Mut genug, seine Angst offen zuzugeben?"
Daniela fiel in das Gelächter ein.
„Wohl ist mir dabei auch nicht", gab sie zu. „Wenn einer von euch unter Klaustrophobie leiden sollte, hat er sich leider den falschen Platz und die falsche Zeit ausgesucht. Ich gehe jetzt noch einmal hinaus und prüfe die Lage. In spätestens einer Stunde bin ich wieder zurück, dann geht die Arbeit weiter. Also, genießt die Pause.
Es wird so schnell keine mehr geben."
„Daniela, die Harte", kicherte eine Frau. „Laß dir Zeit, Mädchen. Wir warten geduldig."
Abermals verließ Daniela die Halle durch die Mannschleuse, gefolgt von Kim Chun Kee. Sie stiegen in den Gleiter und fuhren eine Route ab, die für solche Inspektionen geplant worden war.
Ganz ohne Auswirkungen auf ihren Bereich war die Detonation nicht gewesen: Es gab einige angeknackste Seitenstollen; irgendwo plätscherte Wasser. Die Verstrebungen aus Terkonit hatten selbstverständlich gehalten; mit natürlichen Kräften war diesem molekularverdichteten Spezialstahl nicht beizukommen. Aber das Gestein in der Nähe der Streben hatte nachgegeben - die Seitenstollen komplett mit Stahl auszukleiden, um auch dieses Risiko auszuschalten, war aus Kostengründen unterlassen worden.
„Sieht ziemlich gut aus", meinte Kim Chun Kee und grinste fröhlich. „Um uns brauchen wir uns vorerst keine Sorgen zu machen."
Daniela runzelte die Stirn.
Sie traute dem Frieden nicht. Was sie auszeichnete, war ein Instinkt, der sie Gefahren und Chancen ungewöhnlich früh erkennen ließ - wenn auch nicht gerade im Privatleben, wie ihre gescheiterte Ehe bewiesen hatte.
In diesem Fall aber war sie sich ihrer Sache gewiß. Etwas stimmte nicht. Und es schien nichts mit der Lage im Bergwerk zu tun zu haben ...
3.
„Keine besonderen Vorkommnisse", erstattete Centoar Vilgor seinem Vorgesetzten Bericht.
Der Blue Tayloz Üpkek machte eine Geste der Zufriedenheit. Vilgor schloß daraus, daß Üpkek wie schon so oft nicht hinreichend informiert war.
Daß vor sehr kurzer Zeit Lokvorth und das Humanidrom Angriffsziel einer Tausende von Schiffen umfassenden Tolkanderflotte geworden war, war nicht bis zu dem Leiter der Raglund-Delegation auf Trokan vorgedrungen. So konnte er auch nicht wissen - und der durchtriebene Akone Vilgor würde sich hüten, ihn sofort darüber aufzuklären -, daß Lokvorth inzwischen überrannt worden war. Das Humanidrom war in der Hand der Fremden, die bereits begonnen hatten, jene eigentümliche Ladung auszuschiffen, die als Vivoc bezeichnet wurde.
Was dieses Vivoc war, wußte niemand genau; es gab eine Assoziation dazu, die den Begriff gleichsetzte mit „Brut". Normalerweise war das ein harmloses Wort, aber in diesem Zusammenhang rief es ein leises Schaudern bei den wenigen Eingeweihten hervor.
Im Umlauf war auch der Begriff Tangle-Scan, mit dem ebenfalls nur gut informierte Kreise etwas Genaueres anzufangen wußten. Es handelte sich dabei um eine geheimnisvolle Strahlung, die von einigen Modellen der Tolkanderschiffe ausging und bei den Betroffenen ein Gefühl hervorrief, als würde ihnen das Innerste nach außen gekehrt. Wieviel davon auch stimmen mochte - fest stand, daß ein Kampfschiff im Bereich des Tangle-Scan nicht mehr einsatzklar war, da die Besatzung ausgefallen war. .
Vivoc, Tangle-Scan, Tolkanderflotte - das waren die Begriffe der Stunde, und ein Mann von Centoar Vilgors Format konnte damit durchaus etwas anfangen.
Wer immer die Tolkander sein mochten, sie griffen an. Im Sektor 47 Tucani hatten sie eine Flotte von wahrhaft gigantischem Ausmaß gesammelt. Die Rede war von weit mehr als 100.000 Einheiten, und diese bedrohliche Armada schien unablässig zu wachsen.
Die Galaktiker hatten dem so gut wie nichts entgegenzusetzen.
Das lag vor allem an der jüngeren Geschichte der Milchstraße. Daß die Völker der Galaxis sich zu entzweien begonnen hatten, ihren Eigeninteressen nachgingen und wieder klassische Macht- und Bündnispolitik
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