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1824 - Zentrum der Zentrifaal

Titel: 1824 - Zentrum der Zentrifaal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Unbeugsamkeit in einer Raumschlacht bewiesen hatte. Eine gerechte Strafaktion, doch für die Galornen Auslöser für ein Shifting.
    „Tausend Jahre sind eine lange Spanne", keuchte Legiaw im Selbstgespräch. „Viele Steuern wurden seither erhöht und Abgaben eingeführt. Sollen wir immer noch eine Waffe fürchten, die wahrscheinlich längst stumpf geworden ist?"
    Er tat, was er jeden Morgen tat. Das Fläschchen mit der Farbe hatte seinen Wutausbruch überstanden, und so tauchte er die Finger darin ein, bis die Nägel jenes tiefe Schwarz angenommen hatten, das säumige Zahler so sehr fürchteten.
    Anschließend veränderte er sein Gesicht. Bioplastauflagen ließen die hohe Stirn vorgewölbt erscheinen wie bei einem bissigen Drakniß, die Nasenlöcher polsterte er seitlich auf, die Kinnpartie wirkte anschließend schmal und kantig.
    Steuereinnehmer - das war einer der begehrtesten, zugleich aber auch am meisten gefürchteten Berufe.
    Begehrt, weil diese Männer und Frauen ungestraft ihren Neigungen nachgehen konnten. - Gefürchtet von säumigen Zahlern, die, einmal in die Maschinerie geraten, erbarmungslos verfolgt wurden - aber auch von den Steuereinnehmern selbst, denn mancher hatte schon ein abruptes Ende gefunden. Nicht, daß ein Zentrifaal es gewagt hätte, einen anderen zu töten, aber diese Berufsgruppe rangierte in der Unfallstatistik an allererster Stelle. Deshalb die Maskerade und das harte Auswahlverfahren. Steuereinnehmer waren Einzelgänger, harte Zentrifaal, die ihre Krallen zu gebrauchen wußten.
    Legiaw veränderte sein Aussehen in regelmäßigen Abständen. Vielleicht erkannte ihn eines Tages jemand. Die markante Blickleiste, tiefschwarz und dicker und größer als bei anderen Zentrifaal, ließ sich nicht kaschieren. Aber das war ein ganz besonderer, prickelnder Reiz.
    Als Steuereinnehmer wurde er zum Quasi-Clanangehörigen, zum Untergebenen von A-Betchaga.
    T-Legiaw.
    Der Buchstabe T, den er seinem Namen hinzufügte, stand für das altzentrifaalische TeRex. Das bedeutete sinngemäß der Unbeugsame oder auch der Standhafte.
     
    *
     
    Zwölf Millionen Einwohner ballten sich in Cursor, eine schwarzgekleidete Flut weißhäutiger Individuen, die mehrmals am Tag die Straßenschluchten verstopften und oft genug ein Chaos erzeugten, dem einzelne nicht mehr gewachsen waren. Die schwüle, dampfende Hitze am Äquator, dazu der lärmende und - allen Bemühungen zum Trotz - stinkende bodengebundene Verkehr, provozierten Unfälle. Aus harmlosen Rempeleien wurden mitunter tödliche Zusammenstöße. Nein, niemand tötete absichtlich, aber die Fingernägel der Zentrifaal waren gefährlicher als Laserskalpelle, und eine einzige unbedachte Bewegung genügte, den Nächststehenden zu verletzen.
    Auch die Schwebebahn, der’ sich T-Legiaw an diesem Morgen anvertraute, war hoffnungslos überfüllt.
    Stumme, ausdruckslose Gesichter. Er hatte das Gefühl, daß mancher Blick ihn sezierte. Fast alle, auch die Kinder, waren potentielle Steuerzahler, die irgendwann zu säumigen Schuldnern werden würden.
    In der Tiefe quälte sich der Lindwurm aus Blech und Abgasen über die Straßen. Nur beiläufig registrierte TLegiaw, daß eine Frau neben ihm ihre linke Hand geöffnet hatte und beruhigend auf ein Embryo einredete. Neugeborene bekam man immer seltener zu Gesicht. Früher, als die Zentrifaal noch Kriege führen durften, hatten sie lebhaftere Geburtenraten besessen.
    Dennoch blieb die Bevölkerungszahl weitgehend konstant. Ohne Kriege gab es weitaus weniger Tote als früher, und Krankheiten wurden von der fortgeschrittenen Medizin erfolgreich bekämpft. Krankheiten jedenfalls, die durch Bakterien, Viren und andere Erreger verursacht wurden.
    Dem einen umfassenden und schwerzubekämpfenden Gebrechen, das als Folge des unnatürlichen Friedens angesehen wurde, fielen jedoch viele zum Opfer. Das war eine innerliche Selbstzerstörung, die die Lebenserwartung auf zwei Drittel der früheren Spanne gesenkt hatte.
    Unser Aggressionstrieb frißt uns auf, schoß es T-Legiaw durch den Sinn. Mit Steuermitteln allein kann das niemand bekämpfen.
    Endstation Künstlerviertel. Die Masse drängte nach draußen, und es grenzte schier an ein Wunder, daß niemand zwischen Bahnsteigkante und Triebwagen zu Schaden kam.
    Ein gellender Schrei übertönte den Lärm. Weiter vorne flutete die Menge zur Seite.
    Aus dem Schrei wurde ein erstickendes Gurgeln. Das klang, als hätte ein anderer Steuereinnehmer zugeschlagen. T-Legiaw drängte weiter, er nahm

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