183 - Die Stadt Gottes
gestorben, nachdem die Barbaren in den Bunker eingedrungen waren; Alte und Kranke zumeist. Cross sorgte dafür, dass die Serumsvorräte gerecht aufgeteilt wurden; so gut es ging, jedenfalls. Natürlich war ihr klar, dass viele WCA-Leute Serumsbeutel aus Regierungsdepots beiseite geschafft hatten. Auch sie selbst hortete sieben Beutel mit dem kostbaren Präparat in ihren Privaträumen. Niemand wusste davon, und das war gut so.
Die offiziellen Vorräte reichten – dank der hohen Verluste – noch für etwa zwei Jahre, die inoffiziellen vielleicht für drei oder vier. Hierüber konnte man natürlich nur Schätzungen anstellen. Sollte bis dahin immer noch keine Energie fließen, war das Schicksal der Pentagongesellschaft sowieso besiegelt. Doch die Hoffnung starb zuletzt, und die Präsidentin hoffte, dass ihr ähnliches Glück beschieden sein würde wie ihren beiden Leibgardisten: Die Brüder Calypso waren inzwischen weitgehend immun gegen die üblichen Krankheitserreger. Sie mussten keine Serumsbeutel mehr auf der Brust tragen.
Schnell erreichten sie den ersten bewohnten Straßenzug. Cross blickte sich um: Die Gruppe mit dem General hielt sich knapp fünfzig Schritte hinter ihr. Die Straße war menschenleer. Auch an den Fenstern, Türen und Gartenzugängen zeigte sich niemand. »Gefällt mir nicht«, knurrte Loola.
Sie bogen in eine Gasse ein, die zur Stadtmauer führte.
Von fern hörten sie Stimmengewirr und ein Geräusch, das Cross noch nie gehört hatte und nicht einzuordnen wusste. »Hufschlag«, sagte Trashcan Kid, der ihren fragenden Blick bemerkte.
Aus einem Hofeingang huschte eine Gestalt in einem Pelzmantel und lief ihnen entgegen. Ein Späher aus Trashcan Kids Bande. »Die Rev’rends haben ein Loch in die Stadtmauer gesprengt. Jemand hat das Tor geöffnet. Jetzt ziehen sie zum alten Rund der Spiele.«
»Was bei Orguudoo sind ›Rev’rends‹?« Trashcan Kid runzelte die Stirn.
»Quatschen ständig von ›Buße‹ und ›Sünde‹, und von und einem Gott namens HERR. Haben was gegen uns, wollen Waashton zur ›Stadt Gottes‹ machen. Gefährliche Burschen alles in allem.«
Trashcan Kid schnitt ein ungläubiges Gesicht, und Loola tippte sich an die Stirn. »Das klingt irgendwie nach Jamals Geschwätz.« Inzwischen hatten sich drei weitere Kleingruppen um den Späher versammelt.
»Jamal ist tot«, sagte der. »Und viele seiner Kämpfer auch. Die Hohlköpfe sollen die Explosion an der Mauer überhaupt erst ausgelöst haben.« Er berichtete von den Vorfällen.
»Wie sind die Rev’rends bewaffnet?«, wollte General Garrett wissen.
»Pulver und Blei. Schießprügel, mit denen man das Zeug verballern kann«, erklärte der Späher. »Auch zwei oder drei große Kanonen haben sie dabei, übles Gerät. Und zwei Maschinen, die Blei spucken, wenn man an ihnen herumkurbelt.«
»Antike Maschinengewehre«, murmelte Amoz Calypso, Er und alle WCA-Leute, die den Bericht des Spähers hörten, waren wie elektrisiert. Mechanische Feuerwaffen! Genau die Bewaffnung, die ihnen fehlte, um die Barbaren aus dem Bunker zu vertreiben!
»Wie viele Rev’rends sind in der Stadt?«, wollte Dr. Cross wissen.
»Dreizehn.«
»Nur?!«, entfuhr es dem General, Trashcan Kid und seiner Amazone fast gleichzeitig. Cross glaubte sich verhört zu haben, doch der Späher bestätigte die Zahl.
Dreizehn Männer schickten sich an, die Stadt zu erobern?
Die Präsidentin konnte es nicht glauben.
»Also los!«, schnaubte der General. »Gehen wir und schmeißen sie raus!«
Trashcan Kid und Garrett schickten Boten zurück in die Bibliothek. Sie sollten die Haupttruppen informieren.
Beide hielten es für das Vernünftigste, den frommen Eroberern keine Zeit mehr zu lassen, um sich in Waashton einzunisten, beide wollten sofort losschlagen.
Cross war einverstanden. Dreizehn Männer entwaffnen und festnehmen – wo war das Problem? Sie machten sich auf den Weg zum »Rund der Spiele« – dem alten Footballstadion.
Nicht lange, und sie trafen auf Menschen, die das gleiche Ziel hatten. Bald fielen sie gar nicht mehr auf unter den vielen Gruppen, die unterwegs zum Stadion waren. Loola und Ozzie hörten sich um.
Im Vorübergehen blickte Cross in die Gesichter der Leute. Ausgezehrte, grobe oder brutale Gesichter waren es zum größten Teil. Auf manchen lag der Glanz freudiger Erwartung. Inzwischen schien man schon Wunder von den Fanatikern zu erwarten. Manchmal berührte ein Vorübergehender die Präsidentin versehentlich. Jedes Mal zuckte sie
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