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183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Niemand schimpfte mehr, keiner drohte mit der Faust, niemand dachte mehr daran, das Stadion zu verlassen. »Na, also!«, rief Rev’rend Blood. »Es geht doch! Ich fange noch einmal an! Der HERR hat uns nicht geschickt, um Waashton zu bringen, was Waashton verdient, nämlich Feuer und Schwert…!«
    Er wiederholte, was er der Menge bereits entgegen geschleudert hatte, und fuhr dann fort: »Glaubtet ihr etwa, ihr hättet Nachsicht verdient? Glaubtet ihr, die Strafen Gottes hätten ausbleiben können bei dem Gebirge von Sünden, das ihr angehäuft habt? Doch der HERR gewährt euch eine letzte Chance und schickt euch uns, seine demütigen Diener, die Rev’rends. Und nun hört den weisen Ratschluss des HERRN: Ab sofort führe ich das geistliche und weltliche Regiment über Waashton, die Verdorbene, damit sie zu einer Stadt Gottes werde! Bürger der Stadt Gottes kann nur werden, wer seine Sünden bereut und öffentlich bekennt und folgende Gesetze streng beachtet. Erstens: Ihr gehorcht den Rev’rends, denn wenn ihr ihnen gehorcht, gehorcht ihr Gott…!«
    Wieder erhob sich Murren und Fluchen in der Menge, und wieder drohten einzelne Männer mit den Fäusten.
    »Zweitens: Fluchen ist verboten. Drittens: Jeden fünften Tag in der Woche nehmt ihr nichts als trockenes Brot und Wasser zu euch. Viertens…« Die Stimmen des Widerspruchs wurden lauter. Rev’rend Blood kümmerte sich nicht darum. »… keine scharfen Getränke! Fünftens: Körperliche Liebe einzig und allein zum Zwecke der Zeugung neuer Bürger der Stadt Gottes. Sechstens…!«
    Eine leere Flasche flog auf die Tribüne. Ein paar Schritte neben dem Rev’rend prallte sie gegen den Sockel der Sitze und zerbrach. Ein paar Grasbüschel und einige Steine folgten. Die Stimmen des Protestes waren nun selbst für Rev’rend Blood nicht mehr zu überhören.
    »Aufhören! Spinner! Schwätzer! Geh nach Hause, du heilige Vogelscheuche!« Beschimpfungen und Flüche aus der Menge flogen zu dem Gottesmann herauf.
    Ein Stein prallte gegen Rev’rend Bloods Stahlhelm.
    Der große Mann zuckte zusammen und ging kurz in die Knie. Jede Milde, jedes Lächeln war ihm aus dem Gesicht gefallen, seine hohlwangige Miene verzerrte sich zu den kantigen, zornigen Zügen des gerechten Rächers. Eine einzige Geste, und die Brüder feuerten zum dritten Mal.
    Diesmal schickten sie Salve um Salve über die Menge.
    Auf der rechten Seite des Stadions war ein Rev’rend auf einen Wagen gesprungen, hatte sich hinter das Maschinengewehr gesetzt und drehte die Kurbel.
    Geschosse ratterten, heulten und pfiffen im Sekundentakt durch das alte Stadion. Die Rev’rends schossen so lange, bis auch der letzte Zuhörer flach auf dem Spielfeld lag.
    Dann erst verstummten die Waffen.
    Rev’rend Blood aber richtete sich auf, schüttelte die Fäuste und brüllte: »O ihr Sünder! O ihr Verfluchten des HERRN! Seid ihr denn so verstockt, dass die heiligen Gebote euren Hass erregen, anstatt dass sie euch süß wie Honig schmecken?!« Die Leute auf dem Spielfeld hoben nach und nach die Köpfe. Niemand wagte aufzustehen.
    »Mit eisernem Besen werde ich wegfegen die Verstockten und…!«
    Rev’rend Blood unterbrach sich, denn eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter. Er drehte sich um und blickte in das ernste und stoppelbärtige Gesicht Rev’rend Rages. »Merkst du nicht, dass der Geist des HERRN deinen Worten den Segen verweigert?«, zischte der.
    »Und ist es ein Wunder bei den Mitteln, mit denen du diesen Sünder namens Stock bestochen hast?« Er schob den Erzbischof zur Seite. »Lass mich mal.«
    »Hört mich an, ihr Sünder von Waashton!«, begann Bischof Marty Luder alias Rev’rend Rage. »Was unser heiliger Vater, der Erzbischof Rev’rend Blood, eigentlich sagen wollte, ist Folgendes: Es gibt niemanden auf dieser beschissenen Welt, den der HERR nicht liebt. Kapiert ihr das, verdammt noch mal?!«
    Rev’rend Rage sprach ohne Megaphon; sein donnernder Bass drang auch so bis in den letzten Winkel des Stadions. »Niemand von euch, der dort unten im Gras liegt, ist beim HERRN vergessen, und schon gar nicht verloren! So wie ihr eure Namen manchmal in irgendeinen Baum ritzt, an irgendeine Wand kritzelt, damit auch der letzte Schwanzlutscher kapiert, dass es euch gibt, so hat sich auch der HERR eure Namen in sein Herz graviert!«
    Die ersten Männer und Frauen unten auf dem Spielfeld standen auf. Verwundert blickten sie zu dem Gottesmann empor. Der erhob seine Stimme noch weiter und donnerte: »Und

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