183 - Die Stadt Gottes
dann zusammen.
»Die Leute von Boothcase und Louis Stock haben den Rev’rends das Tor geöffnet.« Ozzie kam zurück und berichtete, was er gehört hatte. »Sieht so aus, als denkt hier keiner an Widerstand.«
»Zeit, dass wir auftauchen, was?«, grinste Trashcan Kid.
General Diego Garrett bestätigte: »Allerhöchste Zeit! Je schneller wir dem Spuk ein Ende machen, umso besser!«
Als sie dann das Stadion erreichten, war Garrett auch der Erste, der sein Schwert zog. An die fünfhundert Menschen hatten sich bereits auf dem Feld vor der Südtribüne versammelt. Dort erkannte Cross Gestalten in wehenden, meist schwarzen Mänteln – die Rev’rends.
Einer von ihnen hielt eine Art Megaphon an den Mund und sagte irgendetwas, das die Präsidentin nicht verstand.
»Schnappen wir sie uns!«, rief Garrett. Er blickte sich um. »Los, ihr Bürger von Waashton! Folgt mir! Werfen wir die Fremden wieder aus der Stadt!« Er drängte sich durch die Menge.
Trashcan Kids Kämpfer und einige Soldaten der WCA machten Anstalten, ihm zu folgen. Doch ein paar Männer unter den Versammelten drehten sich um, packten den General und stießen ihn zu Boden. Danach legten sie den Zeigefinger auf die Lippen und machten »Psst!«. Von allen Seiten trafen sie böse Blicke, und eine Frau fauchte:
»Idioten! Hört ihr nicht, dass Rev’rend Blood spricht?!«
Dr. Alexandra Cross war wie vor den Kopf gestoßen.
Christie Calypso half dem General wieder auf die Beine, und ein bärtiger, abgerissen wirkender Bursche hielt dem sprachlosen Trashcan Kid eine Flasche hin. »Hey, Trashcan«, flüsterte er. »Du stehst doch auf ein gutes Tröpfchen. Was gibst du mir dafür?«
Trashcan Kid nahm ihm die Flasche ab. »Was ist das?«
»Whisky«, sagte der Mann. Leute drehten sich um, schnitten unwillige Gesichter und machten wieder
»Psst!«.
Trashcan Kid betrachtete die Flasche und reichte sie dann Cross. Die Präsidentin bestaunte das Etikett. Es zeigte einen schwarzen Büffel vor einem roten Kreuz.
Holy Blood, hieß die Whiskymarke.
»Woher hast du den?«, wollte Trashcan Kid wissen.
»Von einem von Stocks Dealern«, sagte der Mann.
»Und woher haben Stocks Dealer so einen Whisky?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
Schüsse peitschten plötzlich über das Stadion. Dr. Alexandra Cross zuckte zusammen.
***
Immer mehr Bürger der verdorbenen Stadt strömten in das alte Stadion. Gnatius Yola alias Rev’rend Blood bekreuzigte sich. Lautlos murmelnd dankte er dem HERRN. An der Spitze seiner Brüder war er in die verdorbene Stadt eingezogen. War es nicht schon ein kleiner Triumphzug gewesen?
Jetzt stand der hoch gewachsene, dürre Mann mit dem langen Grauhaar und dem Ledermantel auf einem der mittleren Ränge einer Tribüne und blickte über eine Menge von gut und gern sechshundert Menschen, die sich unten auf dem Spielfeld versammelt hatten. Viele waren noch skeptisch, einige feindlich gesinnt, sicher, doch der HERR würde die sündigen Herzen schon noch berühren. Und die sich nicht berühren lassen wollten, die Starrsinnigen, die Unverbesserlichen, die Verlorenen – die würde Rev’rend Bloods Regiment aus der Mitte ihres Volkes tilgen, wie man Unkraut aus einem Blumengarten tilgte. Er winkte den Menschen zu und lächelte milde auf sie herab.
»Hört das Wort des HERRN, ihr Bürger von Waashton«, begann er seine Predigt. »Der HERR hat uns nicht geschickt, um Waashton zu bringen, was Waashton verdient, nämlich Feuer und Schwert, nämlich Höllenglut und Angstgeschrei, denn das habt ihr verdient, oder seid ihr etwa anderer…?«
In den ersten Reihen der Zuhörer drohten ein paar Männer mit den Fäusten, irgendjemand spuckte aus, eine Frau fing laut zu schimpfen an. In der hinteren Reihe stürmte ein Mann mit gezückter Klinge in die Menge.
Andere Männer stießen ihn zu Boden und sorgten für Ruhe. Rev’rend Blood drehte sich um und gab seinen Brüdern ein Zeichen. Rev’rend Flame, Rev’rend Sweat und fünf andere luden ihre Gewehre und feuerten in die Luft.
»Ruhe, ihre Sünder!«, schrie Rev’rend Blood. »Wollt ihr wohl aufmerksam auf das Wort des HERRN hören?«
Mit herrischer Geste forderte er die nächste Salve, und seine Brüder schossen erneut – diesmal knapp über die Köpfe der auf dem Spielfeld Versammelten hinweg.
Schreckensrufe erhoben sich, Menschen warfen sich zu Boden und eine Frauenstimme flehte um Gnade.
Der Schusslärm verhallte, Ruhe trat ein. Nacheinander standen die Leute wieder auf.
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