184 - Die Herren von Sydney
bis an eine Tür mit der Aufschrift Michael J. Dundee, Kroko-Handtaschen en gros & en detail.
»Wo sind wir?« Kaplan Willie schaute sich neugierig um. Er hielt sich, wie seine Brüder, zum ersten Mal in der Zentrale des Bösen auf und war entsprechend aufgeregt.
Roney machte »Pssst«, drückte ein Ohr an die Tür und lauschte. Er hörte nichts und atmete auf. »Diese Tür führt in eine unbewohnte Zimmerflucht, die in einen Konferenzraum mündet, in dem die Leitung der Sicherheit tagt.« Er biss die Zähne zusammen. »Wenn die Leitung ihren Job ernst nimmt, müssten wir sie bei der Arbeit antreffen.« Er trat beiseite und nickte Bruder Chaalie zu.
Der griff in seine Kutte, förderte einen Dietrich zu Tage und schob ihn ins Türschloss. Fünf Sekunden später klickte es und die Tür ging auf.
Der Raum dahinter war dunkel. Roney orientierte sich an einem dünnen Lichtkranz, der die Umrisse der gegenüberliegenden Tür markierte, hinter der Helligkeit flackerte. Sie tasteten sich durch den Raum und hielten die Füße dicht am Boden, um nicht auf etwas zu treten, das ein verräterisches Geräusch verursachen konnte.
Besagte Tür, die Bruder Chaalies Werkzeug öffnete, führte in ein Büro. Roney erkannte die Einrichtung sofort wieder. Die Tür hinter dem Schreibtisch stand offen; Kerzenlicht drang zu ihnen heraus.
Roney machte eine Handbewegung, die Chaalie, Eddie und Kaplan Willie verharren ließ. Er huschte über einen seine Schritte dämpfenden Teppich und passierte den Schreibtisch.
Als er seine Nase vorsichtig um den Türrahmen schob, drückte sich etwas metallisch Kaltes an seine Wange, und eine heisere Stimme sagte: »Noch einen Schritt, dann blas ich dir die Birne weg, Arschloch.«
Roney schluckte. Er erkannte die Stimme. Er erkannte auch die tückischen Augen, die ihn ungefähr aus gleicher Höhe anstarrten. Captain Archer, der wohl in dem kleinen Raum hinter seinem Büro übernachtet hatte, war fix und fertig angezogen – bis auf die Stiefel.
»Sie?«, fauchte Archer.
Er war so fassungslos, dass Roney seinen Fuß auf Archers nackte Zehen rammen und seinen Unterarm packen konnte, ohne dass sich ein Schuss löste. Archers Frage wurde zu einem Schrei, der seine Pein verdeutlichte. Roney entrang ihm die Waffe und richtete sie auf seinen Ex-Vorgesetzten.
Kaplan Willie stürzte heran. Er schob Roney beiseite und trat in den Raum. »Wer ist das da?«
Auf dem Bett – Roney sah es jetzt erst – lag ein attraktiver junger Mann mit blondem Haar: Fähnrich Enderby, der Sohn des Colonels und Bruder von Archers Frau. Da er pudelnackt war, errötete er bis unter die Haarwurzeln. Und dazu hatte er auch allen Grund, denn immerhin war seine Schwester die Gattin seines Vorgesetzten.
»Ich… ähm…«, nuschelte er, als er Roney sah. »Es ist nicht das, was Sie denken.«
» Die Erklärung möchte ich hören«, sagte Kaplan Willie. »Ich bin es allmählich leid, ständig für dumm verkauft zu werden! Wenn du schwul bist, steh doch dazu!«
Roney winkte ab. »Ist mir egal, was ihr seid«, erwiderte er und drückte Archer seinen Schießprügel unter die Nase. »Aber eins sag ich euch: Ich hab keine Skrupel, euch in die Pfanne zu hauen, wenn ihr uns nicht sofort sagt, wo die Kirchenfürsten abgeblieben sind.«
Enderby und Archer tauschten einen Blick. Man sah ihnen an, dass sie verzweifelt waren. Einerseits hatte ihr verkorkstes Bewusstsein Angst vor einem Skandal, andererseits waren sie Offiziere und wollten keine Verräter sein.
»Wenn ihr nicht reden wollt…« Kaplan Willie winkte seine Brüder herein, die den jungen Mann auf der Schlafstatt mit großen Augen bewunderten. »Wir können auch anders!«
»Sag’s Ihnen, Pete«, sagte Enderby, der nun vor Angst zu zittern anfing. »Wenn du’s nicht sagst, sag ich es…«
***
»War es wirklich nötig, die beiden nackt aufeinander zu fesseln?«, fragte Kaplan Willie, während er, Roney und Eddie Bruder Chaalie beim Knacken des nächsten Türschlosses zuschauten. »Es ist ihnen doch bestimmt peinlich, wenn man sie so findet…«
Roney nickte. »Ja, jetzt wo du es sagst… Ich bereue meine schändliche Tat. Vor zehn Minuten war ich noch ein völlig anderer Mensch. Ich war nur von blindwütiger Rache beseelt und wollte ihnen eins auswischen. Jetzt sind mir die Augen aufgegangen. Sollte mich noch mal jemand wie einen Hund behandeln, verzeihe ich ihm und suche die Schuld bei mir.«
»So hab ich’s nun auch nicht gemeint«, erwiderte Willie. »Es ist nur so, dass
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