1842 - Ein kleiner Freund
Dinnie ungerührt fort. „Ich habe nachgedacht. Ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß wir Jack adoptieren sollten. Einen Sohn haben wir uns schließlich immer schon gewünscht."
„Hm", machte Ron schläfrig.
„Du bist einverstanden?"
„Ich freue mich auch, daß Illie den Jungen mit nach Hause gebracht hat", erklang es dumpf aus dem Antigravkissen. „Er ist nur ein wenig dürr und schlaksig. Irgendwie macht er auf mich den Eindruck, daß er viel zu schnell gewachsen ist. Vielleicht ein Genschaden."
Dindra richtete sich auf den Knien auf und stemmte die Fäuste in die Taille. „Ich weiß nicht, was du dir einbildest, aber Jack ist für sein Alter eher zu klein. Und dürr? Du scheinst überarbeitet zu sein."
„Adoptiere ihn, mach, was du für richtig hältst, aber laß mich schlafen."
„Ist das alles, was du willst?" Dindras Stimme vibrierte vor Enttäuschung. „Ich bin so glücklich ..."
Ihre Finger marschierten Rons Rückgrat entlang. Doch ehe sie ihr Ziel erreichten, verrieten gleichmäßig tiefe Atemzüge" daß Ron Morpheus’ Arme den ihren vorgezogen hatte.
Dindra schmollte. Sie konnte nicht schlafen. Irgendwann stand sie auf und ging ins Kinderzimmer hinüber. Ein fahler Lichtschimmer zeigte ihr, daß Jack selig im Bett lag.
Ilara, in Embryonalhaltung zusammengekauert, hatte es sich zu Jacks Füßen bequem gemacht. Auch ihre Gesichtszüge wirkten entspannt und glücklich. Im Schlaf flüsterte sie Jacks Namen.
Leise zog Dindra die Tür hinter sich ins Schloß.
*
Sie schlief lange, viel länger als für gewöhnlich. Ron hatte den Weckservo abgeschaltet, und nur das glockenhelle Kinderlachen aus dem Nebenraum hatte sie geweckt.
Elf Uhr vorbei. Dindra verzichtete dennoch nicht auf die übliche ausgiebige Körperpflege. In der Naßzelle fand sie eine Nachricht von Ron: „Du hast so zufrieden ausgesehen, daß ich es nicht fertigbrachte, dich aus dem Schlaf zu reißen. Ich lade für heute abend Gäste ein - sie sollen Jack kennenlernen."
Seltsam. Das hatte sie ebenfalls vorgehabt.
Das Kinderlachen wurde lauterund brach auf dem Höhepunkt ab. Ilara begann wütend zu schimpfen.
In fliegender Hast warf Dindra sich ihre Kleidung über und hastete aus der Naßzelle in den Korridor.
Tränen flossen. Anne und ein gleichaltriges Mädchen waren zu Besuch. Und Illie stand wie ein Racheengel vor der Tür zu ihrem Zimmer und versperrte den Durchgang.
„Verschwindet!" keuchte sie. „Jack ist mein Bruder."
„Ilara!" Dindra Clandor nannte ihre Tochter Ilara, sobald eine Strafpredigt folgte. „Jack ist nicht dein Eigentum. Warum läßt du ihn nicht selbst entscheiden, mit wem er spielen will?"
Der Trotz blitzte in Ilaras Augen. „Sie wollen Jack für sich", protestierte sie.
„Das ist nicht wahr", schluchzte Anne. „Wir wollen ihm nur helfen. Er ist so lieb, aber er braucht Hilfe."
„Nur wenn sie mir Jack nicht wegnehmen." Ilara stampfte trotzig mit dem Fuß auf.
„Ihr habt es gehört." Dindra wandte sich an die beiden Mädchen.
Anne schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von der Wange.
„Sie sollen es mir versprechen!" beharrte Ilara.
„Ich verspreche es", schluchzte Anne. „Aber bitte, laß uns wieder mit Jack spielen."
Eine Weile schaute Dindra den Kindern zu. Nein, dürr oder schlaksig war der Junge überhaupt nicht.
Wo Ron nur wieder die Augen gehabt hatte! Sie fand, daß Jack ein schönes Kind war, genau so, wie sie sich ihren Sohn immer vorgestellt hatte, den sie einer Operation wegen aber nicht mehr bekommen konnte.
Anne und Claudia, so hieß das andere Mädchen, dachten gar nicht daran, nach Hause zu gehen. Doch als sie sich zum drittenmal wegen Jack in die Haare gerieten, daß er erschrocken sein Heil in der Flucht ins Kinderzimmer suchte, hatte Dindra genug und schickte die Mädchen heim.
„Was ich gesagt habe, gilt auch für dich", wehrte sie entschieden ab, als Illie allein so stürmisch weitermachen wollte, wie sie aufgehört hatten. „Denkst du nicht daran, daß Jack auch mal Ruhe braucht? Er ist kein Spielzeug, mit dem du unermüdlich herumtollen kannst."
„Aber ich bin nicht müde", protestierte Ilara.
„Jack bleibt jetzt bei mir. Schluß und aus!"
Dindra suchte Schreibfolie und Stifte und begann für Jack zu malen. Sie war aus der Übung. Schön wurden die Bilder nicht, eher ein Durcheinander geometrischer Figuren, aber der Junge schien daran Gefallen zu finden.
Inzwischen tobte Ilara ihren Zorn an Pluto und etlichen ihrer
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