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185 - Die drei Gesichter des Todes

185 - Die drei Gesichter des Todes

Titel: 185 - Die drei Gesichter des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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kam ich hier endlich raus?
    Der Mann, der das Geschirr einsammelte, flüsterte mir durch das Guckloch zu: »Schluck die Braune!«
    Das waren die Worte, auf die ich ungeduldig gewartet hatte. Ich nickte und setzte mich auf die harte Pritsche. Endlich war es soweit.
    Ich würde Kezal ein Schnippchen schlagen.
    Wenn er mich aus der Zelle holen wollte, um mich weiter zu schleifen, würde ich »tot« sein! Nervös suchte ich die Kapsel. Als ich sie gefunden hatte, hob ich sie zwischen Daumen und Zeigefinger vor meine Augen.
    Konnte ich mich auf Horace Vargas verlassen?
    Vielleicht hatte er mir eine Kapsel verkauft, die mich nicht nur scheinbar, sondern wirklich das Leben kostete. Niemand, der draußen war - der von Vargas hinausgeschmuggelt worden war -, hatte mir seine Seriosität bestätigt.
    Ich mußte ihm blind vertrauen.
    Das war für gewöhnlich nicht meine Art, aber diesmal hatte ich keine andere Wahl. Ich sammelte Speichel, schluckte die Kapsel und legte mich auf die Pritsche.
    Gespannt horchte ich von diesem Moment an in mich hinein.
    Wie lange würde es dauern, bis meine Magensäfte die Kapsel zersetzt hatten? Was würde anschließend mit mir passieren? Ich versuchte jede Reaktion zu registrieren.
    Mein Pulsschlag verlangsamte sich, Kälte kroch mir in die Beine, die Muskel erschlafften zuerst, dann verkrampften sie sich.
    Die Kälte stieg in mir hoch und füllte bald meinen ganzen Körper aus, ohne daß ich fror. Ich versuchte mich zu bewegen. Es ging nicht mehr.
    Schwärze senkte sich über meine Augen. Obwohl ich sie nicht bewußt geschlossen hatte, konnte ich nichts mehr sehen. Ich spürte auch nichts mehr. Aber hören und denken konnte ich noch.
    Der Zustand war unangenehm.
    Mein eigener Körper war zu einem Gefängnis geworden, das mich beengte. Ich hatte den unbändigen Wunsch, ihn zu verlassen. Wenn ich jetzt in mich hineinhorchte, hörte ich gar nichts.
    Das Leben schien mich verlassen zu haben.
    Reglos und »leblos« lag ich auf der Pritsche und wartete darauf, daß mich jemand fand. Wie lange würde ich scheintot sein?
    Die Zellentür wurde geöffnet, und Kezal deckte mich mit unzähligen Schimpfnamen ein. »Genug gefaulenzt, Bailard!« schrie er. »Los, aufstehen! Wir müssen an der Verbesserung deiner Kondition arbeiten!«
    Ich rührte mich nicht. Er gab mir einen Tritt, den ich nicht spürte.
    »Es nützt dir nichts, den Schlafenden zu mimen, Bailard! Wenn du mich ärgerst, nehme ich dich nur um so härter her!«
    Da ich nicht reagierte, schlug er mich mit dem Stock. Jetzt hätte ich aufschreien müssen, aber mein Mund blieb geschlossen. Ein Häftling triumphierte über Kezals Schlagstock!
    Das hatte es wohl noch nie gegeben.
    Wer einen solchen Schlag ohne einen Mucks wegsteckte… mußte tot sein! Zu dieser Erkenntnis schien Kezal zu kommen, denn er fluchte plötzlich laut.
    Wütend beschimpfte er mich wieder, weil ich mich viel zu schnell »einfach davongemacht« hatte. »Halten nichts aus, diese verdammten Engländer!« entrüstete sich der Aufseher.
    Er sah sich um sein Vergnügen geprellt. So rasch hatte er mich nicht fertigmachen wollen. Da lag ich nun vor ihm, kalt und starr, und er konnte nichts mehr mit mir anfangen.
    Für mich war das ein Triumph. Mein Geist lachte schadenfroh. Kezal griff nach meiner Halsschlagader. Er schien nicht wahrhaben zu wollen, daß ich nicht mehr lebte.
    Wütend brüllte er einen Kollegen herbei und verlangte von diesem, Dr. Servantes zu holen. Der Gefängnisarzt kam und untersuchte mich.
    »Der Mann ist tot«, stellte er fest.
    »Woran ist er gestorben?« wollte Kezal wissen. Ich hörte das schlechte Gewissen, das in seiner Stimme mitschwang.
    »An Entkräftung«, antwortete Dr. Servantes. Bestimmt war ihm zu Ohren gekommen, daß Kezal mich gestern bis zur totalen Erschöpfung geschliffen hatte. Das machte er sich clever zunutze.
    Kezal zog die Luft scharf ein. »Wird das in Ihrem Bericht stehen? Ich meine… muß so etwas festgehalten werden? Wieso kann der Engländer nicht einfach an Herzschwäche gestorben sein?«
    »Ich werde es mir überlegen.«
    »Ich würde mich für Ihr Entgegenkommen dankbar erweisen, Dr. Servantes.«
    »Darüber reden wir später.«
    »Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung«, versicherte Kezal, der keinen Augenblick daran zweifelte, daß ich nicht mehr lebte. Seiner Ansicht nach hatte er mich auf dem Gewissen.
    Das störte ihn bestimmt nicht. Es sollte nur nicht in den Papieren stehen.
    Dr. Servantes veranlaßte meinen Abtransport.

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