185 - Ein Albtraum erwacht
dreißig bis vierzig Mannslängen vor dem Palisadenzaun anzuhalten.«
»Wir müssen näher ran!«, beschied ihr der Rabbadaag.
»Schließlich müssen die Händler ihr gesamtes Sammelsurium abladen und hinter den Zaun bringen.«
»Das ist zu riskant! Überlass mir die Verhandlungen mit der Dorfbevölkerung. Ich muss ihnen beibringen, wer wir sind und was wir wollen. Dann bringe ich sie dazu, die Waren hinter die Palisaden zu bringen.«
Ezio lachte hässlich. »Man merkt, dass du noch niemals an Bord eines Roodtrens Dienst geleistet hast. Die Händler lassen niemandes Finger an ihre Güter heran. Es bleibt dabei: Wir nähern uns dem Palisadenzaun so weit wie möglich. Diese Bauern werden ohnehin keinen Widerstand wagen.«
Aruula knirschte mit den Zähnen. Der Rabbadaag traf einmal mehr eine falsche Entscheidung.
Die einfachen Menschen hinter diesem gut gefestigten Zaun hatten noch niemals zuvor einen Roodtren zu Gesicht bekommen, so viel stand fest. Ihr Misstrauen gegen das schnaufende und dampfende Ungetüm wuchs sicher beträchtlich an, je weiter sie sich an das Dorf zu bewegten.
Sie packte einen weiteren Verbindungsschlauch und pfiff hinein. »Long Joon, kannst du mich hören?«, fragte sie.
»Stör mich jetzt nicht, das Manöver ist äußerst heikel!«, rief ihr der Fahrer unwirsch entgegen.
»Du musst dich möglichst langsam bewegen, sonst verursachen wir hier ein Massaker.«
»Wenn ich den Roodtren noch weiter abbremse, bleiben mir die hinteren Teile im Sand stecken und wir müssen sie mühsam wieder ausbuddeln! Jetzt lass mich gefälligst in Ruhe! Ich habe eine Arbeit zu erledigen.«
Aruula stieg die Zornesröte zu Kopf. Die beiden wichtigsten Männer an Bord von OZZ dachten in viel zu eingefahrenen Schienen. Sie wollten oder konnten nicht verstehen, dass dort vorne keine friedlichen Dörfler auf sie warteten, sondern kampfbereite und kampf gewohnte Krieger, die ihr eigenes Land und Gut mit allen Mitteln verteidigen wurden. Sie musste etwas unternehmen, und zwar so rasch wie möglich!
Kurzerhand sprang sie vom Turm, rollte sich über das Dach von Wagen Nummer 20 ab, hetzte gleich darauf weiter, auf die Spitze des Roodtrens zu. Über die Kupplungsstege hinweg, über morsche Planken, an spitz hochragenden Metalldornen vorbei. Schon war Wagen Nummer 10 erreicht, dahinter eine weitere Zugmaschine. Aruula tauchte durch den Qualm hindurch, umrundete geschickt den Gehrahmen des bauchigen Dampfkessels, zwängte sich auf den nächsten Wagen hinauf.
Hundertfünfzig Schritt waren es vielleicht noch bis zur Palisadenwand; links von ihr bewegte sich etwas unter einer gut getarnten Bodenabdeckung. Die Söldner ihrer Truppe, die sie soeben passierte, blickten schläfrig in den Himmel und bemerkten natürlich nichts davon. Was für Idioten!
Wagen Nummer 3. Unter ihr saßen Tänzerinnen und bereiteten sich auf ihren Auftritt vor. Wagen Nummer 2. Jener der Dörrobsthändler. Schließlich Wagen Nummer 1, Heimat geheimnisvoller Wesen, die sich seit jeher an Bord von OZZ bewegten und den Wagen lediglich im Schutz der Dunkelheit verließen. Niemand, auch der Rabbadaag nicht, hatte Aruula sagen können, wer diese Menschen waren und was sie eigentlich auf dem Roodtren zu suchen hatten. Hauptsache für ihn war, dass sie die Miete des Wagens pünktlich bezahlten.
Die vorderste Zugmaschine, mit Long Joon an Bord. Er hielt seine deutlich vorragenden Schneidezähne weit in den Wind; es wirkte so, als würde er ständig lachen.
Aruula stürmte am Fahrer vorbei, rief ihm ein erst vor kurzem gelerntes Schimpfwort zu und ließ sich schließlich in den Sand fallen.
»Wir kommen in Frieden!«, rief sie in Richtung des Dorfes, kaum dass sie den Boden berührt hatte. »Habt keine Angst!«
OZZ bremste neben ihr ab. So wie er es geplant hatte, würde Long Joon den Roodtren bis auf wenige Meter an den Palisadenzaun heranführen.
Aruula ließ Schwert und Messer fallen, hielt die Arme weit in die Höhe.
Jedermann, der hinter dem Schutzwall saß oder stand, sollte sehen, dass sie nun unbewaffnet war.
Bögen richteten sich auf sie und die Spitze des Fahrzeugs aus. Ein erster Pfeil zischte an ihr vorbei, bohrte sich unangenehm knapp in einen hölzernen Prallbock.
»Long Joon, du verdammter Idiot!«, brüllte die Barbarin zurück. »Brems doch endlich ab!«
OZZ schob ein Polster von Erde und Schlick vor sich her auf das Dorf zu.
Wenn einer dort oben seine Nerven verlor und genauer auf sie zielte…
In diesem Moment blieb der
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