185 - Ein Albtraum erwacht
diese Missstände zu unternehmen.« Du meine Güte – wie hatte ein derartiges geistiges Wrack jemals die Führung über die Handelskolonne übernehmen können! Aluurs Vater verbarg seine besonderen Talente in der Tat ausgezeichnet.
»Was schlägst du also vor?« Immerhin akzeptierte der Rabbadaag Aruulas Meinung. Richtig kleinlaut wirkte er nun.
Anscheinend wusste er, was es bedeuten würde, wenn die Fakten über den schlechten Zustand von OZZ die Ohren seiner Händler erreichten.
»Wir müssen so rasch wie möglich anhalten und Reparaturen vornehmen. Auch möchte ich Teile der Söldnermannschaft austauschen.« Es widerstrebte Aruula, über einen längeren Aufenthalt in der Wüste auch nur nachzudenken; augenblicklich drängte das Bild des brennenden Felsens in ihr hoch. Er lockte, er forderte sie, wollte sie so rasch wie möglich bei sich haben…
Mit größter Mühe schob sie diese Gedanken beiseite. Sie hatte sich verpflichtet, ihre Aufgabe bestmöglich zu erfüllen.
»Man hält OZZ nicht einfach so an«, sagte der Rabbadaag im Brustton der Überzeugung. »Es würde viel zu viel Energie kosten, den Zug abzubremsen und wieder in Bewegung zu setzen; das können wir uns nicht leisten. Du musst schon warten, bis wir unser nächstes Ziel erreichen.«
Sieh mal einer an! Vom Geschäft und Kosten verstand er um einiges mehr als von Sicherheitsaspekten.
»Und wann ist es so weit?«, fragte Aruula.
Ezio lächelte und entblößte dabei ein äußerst fehlerhaftes Gebiss. »Du hast Glück, meine Hübsche! Wenn mich meine… Eingebung nicht täuscht, erreichen wir morgen gegen Abend unser Ziel.«
Aruula bohrte nicht weiter nach, woher der Mann wissen wollte, dass sich eine Ansiedlung in dieser Einöde befand.
Aluur hatte bereits auf die besonderen Fähigkeiten seines Vaters hingewiesen.
Ein Tag also noch.
Die Barbarin nickte dem Rabbadaag zum Abschied zu und verließ dessen Prunkwagen. Mit steigendem Geschick kletterte sie aufs Dach hinauf und tänzelte vorsichtig zurück zum Wachturm.
Sie konnte bloß hoffen, dass der Wagenzug nicht unter ihrer aller Hintern zusammenbrach.
***
»Der Rabbadaag hat’s wieder mal geschafft!«, brüllte Ezio vom Hochsitz seines Wagens. Über behelfsmäßige Schreitüten wurden seine Worte nach vorne und nach hinten an die Händler übertragen. »Er hat euch sicher durch die Wüstenei geführt; dorthin, wo noch niemals ein Roodtren gezogen ist. Vergesst also nie, wem ihr all die guten Geschäfte der letzten Jahre verdankt!«
Aruula stand mit Aluur im kleinen Häuschen des Wachturms. Die Ansiedlung vor ihnen war von einem Palisadenzaun eingerahmt. Die Gebäude dahinter wirkten gepflegt und sauber. Long Joon hatte die Geschwindigkeit auf ein Minimum reduziert. Der Roodtren glitt im Schritttempo über den Steppenboden dahin.
Der gesamte Konvoi befand sich bereits in hellster Aufregung. Jene Hilfskräfte, die die hinteren Teile von OZZ bevölkerten, bereiteten sich auf die Aufbauarbeiten der Stände vor. Huren schminkten sich zum wiederholten Male, die Händler übten ihre Sprüchlein, die an Bord befindlichen Mitglieder einer Diebesgilde vollführten letzte Entspannungsübungen für ihre Finger.
»Die Dörfler sind friedlich, aber wehrhaft«, behauptete Aruula.
»Woran willst du das erkennen?«, fragte der Junge. »Ich sehe lediglich ein paar verlotterte Gestalten hinter den Zäunen, die Langbögen in den Händen halten.«
»So wollen sie, dass wir es wahrnehmen.« Aruula lächelte.
»In Wirklichkeit wird OZZ seit geraumer Zeit von Fußtrupps beobachtet. Sie befinden sich links und rechts von uns und marschieren entlang dieser Hügelkämme.« Sie deutete über das felsige Umland. »Ich sehe unnatürlich wirkende Flecken im Steppenboden. Ich gehe jede Wette ein, dass sich dort unterirdische Anlagen befinden. Vielleicht harmlose Warenvorratsbunker, vielleicht können dort Brennstoffe zur Explosion gebracht werden.« Sie kniff die Augen zusammen.
»Wenn du die Dörfler hinter den Palisaden genauer beobachtest, wirst du bemerken, dass sich gut die Hälfte von ihnen nicht bewegt. Sie täuschen eine Mannstärke vor, die sie gar nicht haben – oder aber anderswo verbergen.« Sie ignorierte die bewundernden Blicke des Knaben und zog den Verbindungsschlauch aus seiner Führung. Ihre Worte würden wie durch Tekknik-Zauberei hinab zum Rabbadaag geführt werden, und genau so rasch würde Ezio antworten.
»Meine Männer sind bereit«, sagte Aruula bedächtig. »Ich würde empfehlen,
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