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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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fuhr hoch, als hätte man ihn zu Tode erschreckt.
    Der Hydrit verlor alle Farbe, starrte mit großen Augen ins Nichts. Staunend.
    »Das Buch der Chroniken!« Seine Stimme war nur ein Hauch. Er schluckte, versuchte es noch einmal. »Ich weiß durch Matt Drax, dass ein so genanntes Buch der Chroniken existiert. Es behandelt die Entstehungsgeschichte der Hydree.«
    Quart’ol hob den Kopf, sah Vogler und Braxton an, die den Zusammenhang nicht erkennen konnten und verwirrt auf eine Erklärung warteten. Sie kam. Der Hydrit sagte überwältigt:
    »Ramyd’sam hießen die Schreiber!«
    Immer noch aufgewühlt, wandte er sich der Steuerung zu.
    Quart’ols Hände zitterten, als er die Kontaktfelder berührte.
    »Wir werden unseren Kurs nicht ändern!«, verkündete er entschlossen. »Egal, wie viele Tentakel das kostet – es ist der richtige Weg!«
    Vogler trat neben ihn. »Glaubst du, dass Gilam’esh’gad bewohnt ist?«
    »Nnnnein.« Quart’ol zögerte. Er war ein Seelenwanderer, ein Quan’rill, und für ihn gab es ein paar Geheimnisse weniger im Leben als für andere. Wie sollte er den Marsianern etwas erklären, das sie verängstigen würde? Sollte er das überhaupt?
    »Aber die Stimmen!«, beharrte der Waldmann. »Sie müssen ja von irgendwo her kommen, also lebt hier unten jemand. Warum nicht in der Stadt?«
    »Das ist die falsche Frage«, sagte Quart’ol ruhig. Er dachte kurz nach, atmete durch und fuhr fort: »Weißt du, es ist durchaus möglich, dass der Ursprung der Stimmen in Gilam’esh’gad liegt. Es könnte nur sein, dass sie… äh… sagen wir: aus einer anderen Zeit stammen.«
    Vogler stutzte einen Moment, dann entspannte sich seine Miene. »Ah, verstehe!«, rief er und erklärte dem verblüfften Hydriten auch gleich, was er verstand. »Die Stimmen sind eine Art Aufzeichnung!«
    »Genau«, log Quart’ol freudig überrascht. Problem gelöst, dachte er. Dann bemerkte er, dass die Marsianerin reglos dastand, mit verschränkten Armen, schweigend. Mehr brauchte es nicht, um Quart’ols Erleichterung in Unbehagen kippen zu lassen.
    »Es ist keine Aufzeichnung, nicht wahr?«, fragte Clarice.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Dachte ich mir.« Clarice ließ die Arme sinken. Quart’ol bemerkte, dass ihr schmales Kinn bebte. »Du hast gesagt, die Stimmen sind aus einer anderen Zeit. Das heißt, ihre Besitzer leben nicht mehr. Aber sie existieren noch irgendwie. Richtig?«
    »Hör zu, es ist nicht…« Quart’ol brach ab. Die Augen der Marsianerin schimmerten feucht.
    »Diese Stadt«, sagte sie erstickt, »ist nicht der Ort des Wissens und des Heils, als den du sie beschrieben hast.«
    Clarice wollte ihre Tränen abwischen, knallte mit der Hand an den durchsichtigen Schutzhelm und fing erst recht an zu weinen. »Es ist ein Ort der Geister! Wir werden ihn finden und ihn nie mehr verlassen können, das ist das Geheimnis der Hydree! Sie sind gar nicht verschwunden. Sie sind alle noch da – in Gilam’esh’gad!«
    ***
    Tauchtiefe: 10.000 Meter
    Agat’ol verspürte den Wunsch, jemanden blutig zu schlagen, was natürlich nicht möglich war bei diesen Druckverhältnissen. Sein Soord’finn hatte die Spur der Transportqualle verloren! So schien es zumindest, denn er folgte schon seit Stunden keinem erkennbaren Kurs mehr.
    Stattdessen trug der Kampffisch seinen Reiter mal hierhin, mal dorthin durch eine unheimliche fremde Welt.
    Der Marianengraben – eine halbmondförmige Tiefseerinne östlich der Philippinen. Teil der Nahtstelle zweier tektonischer Platten, mehr als tausend Kilometer lang. Der tiefste Punkt, gleichzeitig der tiefste des gesamten Pazifik, lag 11.034 Meter unter den Wellen.
    Agat’ol kannte weder tektonische Platten noch geographische Details. Er wusste aber durchaus, was ein Graben war, und als solchen hatte er sich den Ort vorgestellt, an dem er jetzt unterwegs war: eine breite Spalte im Meeresboden mit senkrechten Wänden und flachem Grund.
    Nichts davon stimmte. Der Marianengraben führte keineswegs in den Boden hinein, er bildete vielmehr das Nichts zwischen zwei gigantischen, verkeilten Stücken der Erdkruste, die nach oben strebten. Glatte Wände gab es auch nicht, geschweige denn einen flachen Grund.
    Nur bizarre Hindernisse und Dunkelheit.
    Und Monster!
    Als Agat’ol seinen Kampffisch zum x-ten Mal durch eine dieser zerlöcherten schwarzen Halbröhren lenkte, die sich nicht umgehen ließen und von denen er schon im Vorfeld wusste, dass irgendwo an den Kilometer hohen Wänden der

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