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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Sanftmut! Wenn sie so friedlich wären, wie sie behaupten zu sein – wie kommt es dann, dass sie Jagd auf uns machen, schwer bewaffnet und in der Absicht, uns zu töten? Sie wollen uns mit Gewalt ihre sanfte Lebensart aufzwingen, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Und woher nehmen sie diese Arroganz, darauf zu beharren, dass ihr Glaube der einzig Richtige ist?
    Unvermittelt begann der Soord’finn zu tauchen. Agat’ol hatte ihm die Zügel überlassen, weil das Tier gute Instinkte besaß und den Weg durch die Dunkelheit selber fand. Jetzt musste er sich abstützen, um nicht haltlos vornüber zu kippen, so steil zog der Kampffisch in die Tiefe.
    Aber warum? Und wohin?
    Agat’ol verfluchte die Finsternis mit ihren winzigen Irrlichtern. Sie machten seine Umgebung zweidimensional.
    Vor ihm hätte sich eine solide Wand, unter ihm eine Schlucht befinden können. Er sah es einfach nicht. Einen Moment zögerte er, wollte schon nach den Zügeln greifen. Vielleicht war der Soord’finn auf Futtersuche und trug ihn am Ende geradewegs in eine Muränenhöhle!
    Agat’ol entschied sich für das Risiko. Es hatte keinen Zweck, auf Sicherheit zu spielen, nicht hier. Wenn er diesen Ort je wieder verlassen wollte – und das wollte er unbedingt! – dann musste er in Bewegung bleiben, durfte nicht vor eventuellen Gefahren zurückschrecken.
    Der Soord’finn legte einen Flossenschlag zu. Da war plötzlich ein Gefühl von Weite ringsum, von offenem Wasser ohne Hindernisse. Das Labyrinth aus Schluchten und Hohlwegen am Rande der Erdplatte blieb hinter Agat’ol zurück, löste sich auf in immerwährender Finsternis. Der Mar’os-Krieger hatte den Abgrund erreicht, diesen gähnenden schwarzen Riss auf dem Dach der Hölle, dem die Reise galt.
    Das Challenger-Tief.
    Agat’ol nahm die Zügel auf, hielt den Kampffisch an. Ihn trennten noch etwa achthundert Meter vom Meeresboden, und in dieser Position entdeckte er etwas höchst Unerwartetes.
    Helligkeit! Agat’ols Doppelkamm sträubte sich vor Erregung.
    Was da aus der Tiefe schimmerte, waren nicht etwa Tiere oder Pflanzen. Es war der Boden! Irgendeine lumineszierende Substanz musste auf ihm angesiedelt sein, und zwar keineswegs willkürlich!
    Der Soord’finn setzte sich wieder in Bewegung; langsam, auf gleich bleibender Höhe. Agat’ol ließ ihn treiben, blickte fasziniert nach unten. Er konnte Felder erkennen, scharf abgegrenzte Rechtecke, die wie ein überdimensionales Straßenpflaster den Grund bedeckten. Sie zogen sich über Kilometer durch das Challenger-Tief. An einer Stelle teilten sie sich, liefen unterhalb der enorm hohen Steilwände rechts und links weiter und kamen dann wieder zusammen. Schimmernd umrandeten sie ein gigantisches dunkles Hindernis. Man hätte es für einen flachen Gebirgszug halten können… wäre da nicht diese Kuppel gewesen!
    Agat’ol traute seinen Augen kaum. Nicht weil er sie entdeckte, sondern wie! Zwei Scheinwerfer kamen über den Rand des vermeintlichen Felsmassivs. Sie erfassten die grün veralgte Kuppel, strichen ab und ließen sie wieder in der Dunkelheit versinken. Das Ganze dauerte nur einen Moment, doch er reichte aus, um dem Mar’os-Krieger zwei Dinge klar zu machen: Die Scheinwerfer in der Tiefe gehörten zweifelsohne zu Quart’ols Transportqualle, also hatte sein Soord’finn gar nicht versagt, und die Felsen mit der Kuppel waren…
    »Gilam’esh’gad!« Seine Stimme klackte so leise wie Muschelschalen. Man hätte es für Ergriffenheit halten können über den Anblick dieser uralten Stadt, wäre die Hand des Kriegers nicht so schnell zu den Waffen gewandert. Er war am Ziel! Quart’ol und seine Begleiter wurden nicht mehr gebraucht. Sie konnten jetzt sterben.
    Agat’ol lenkte den Kopf des Soord’finns in Richtung Gilam’esh’gad. Als die Scheinwerfer erneut auftauchten, sagte er nur: »Töten!«. Dann ließ er die Zügel los.
    ***
    »Da ist er wieder!« Quart’ol seufzte bedauernd, während er das Licht am Quallenbug deaktivierte. »Ich fürchte, wir müssen die Scheinwerfer etwas länger ausgeschaltet lassen.«
    »Kannst du ihn nicht irgendwie loswerden?«, fragte Clarice.
    Sie klang ungeduldig.
    Quart’ol grinste. »Ich könnte ihm einen unserer Torpedos auf den Pelz brennen.« Er hielt inne, wartete auf einen Protest, der nicht kam. Selbst von Vogler nicht. Dafür glitt ein rätselhaftes Wesen an der Transportqualle hoch. Auf den ersten Blick sah es aus wie eine Tiefseeschnecke, etwa zwei Meter lang und gar nicht mal

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