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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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besessen hatten, die ihren Nachfahren abhanden gekommen war.
    Quart’ol zum Beispiel war ein Quan’rill, ein Seelenwanderer, und dadurch mit befristeter Unsterblichkeit gesegnet, denn er konnte seinen Geist in einen anderen Körper übertragen. Die Weltenwanderer unter den Hydree jedoch waren in der Lage gewesen, ihren Geist vollständig aus dem Körper zu lösen, um im Transportstrahl zu reisen. Nicht als esoterisches Gespenst, wie Clarice befürchtete, sondern als eine Art körperloser Energiefluss.
    Quart’ol hoffte insgeheim, solch einen lebenden Zeitzeugen in Gilam’esh’gad zu finden. Vielleicht in einem Tempel oder einem besonderen Gebäude. Was hätte der alles berichten können!
    »Das wäre in der Tat interessant!«, meinte Vogler, als Quart’ol seine Erklärungen schloss, und begann sich nach einem besonderen Gebäude umzusehen.
    Ein paar Straßen weiter wurde er fündig. Da war ein öffentlicher Platz, mit großen hellen Schneckenmuscheln gepflastert. Ihre Spitzen wiesen auf ein Gebäude, das die Form einer Spindel hatte. Es war etwa sechzig Meter hoch; dunkle gezackte Außenhaut, überall Figuren, auf der Spitze ein Symbol. Was es darstellte, wusste nur der Hydrit.
    Quart’ol las die Inschrift an der Gebäudefront und nickte.
    »Hier könnten wir fündig werden!«
    »Dann los.« Vogler setzte sich in Bewegung.
    Der Hydrit hielt ihn zurück. »Nicht so schnell! Wir müssen erst entscheiden, welcher Eingang der Richtige ist.«
    Vogler lachte. »Wie schwer kann das sein? Wir versuchen es mit dem linken. Wenn uns das nicht weiter bringt, nehmen wir den anderen.«
    »Und wenn der Linke eine Falle ist?«
    »Eine Falle? Warum sollte er?« Vogler runzelte die Stirn.
    »Ein Gebäude, zwei Türen, dicht nebeneinander. Das ist immer suspekt.« Quart’ol zeigte nach oben, auf den Schriftzug über dem Portal. »Und dann das! Da steht: Kammer der Macht. Jeden Fremden mit übler Gesinnung würde das anziehen.«
    »Was steht über der anderen Tür?«
    »Kammer des Wissens.«
    »Na also. Die nehmen wir«, meinte Vogler.
    Quart’ol wiegte bedächtig den Kopf. »Gefällt mir nicht. Es ist zu einfach.«
    »Wie meinst du das?«, fragte der Marsianer verwirrt.
    »Wenn du die Wahl hast zwischen zwei Türen, und über einer von ihnen steht exakt das, was du lesen willst, dann tust du gut daran, die andere zu nehmen. Ist doch klar. Wer etwas schützen will, der schreibt nicht über die Tür: Hier ist es zu finden!«
    Clarice mischte sich ein. »Oder er macht es gerade deshalb, weil er weiß, dass der Dieb denkt, er würde es nicht so machen.«
    Vogler und Quart’ol sahen sich an. Sie wirkten etwas ratlos.
    »Passt auf, das ist ganz einfach!« Clarice schwamm zur Kammer der Macht und legte ihre Hand an das Portal. »Stellt euch die Situation vor: ihr seid Diebe auf der Jagd nach einem Schatz. Ihr kommt an dieses Gebäude und habt die Wahl zwischen Wissen und Macht. Ihr wisst, dass kein vernünftiger Schatzbesitzer an die richtige Tür schreiben würde: Hier ist die richtige Tür! Ihr wisst aber auch, dass der Schatzbesitzer weiß, dass ihr das wisst.« Clarice schwamm zu dem anderen Portal, berührte es leicht. »Würde der Schatzbesitzer nun die falsche Tür als richtige beschriften? Nein, würde er nicht! Denn er weiß, dass ihr damit rechnet, dass er das tun wird.«
    »Ich habe Kopfschmerzen«, sagte Vogler.
    Clarice seufzte. »Es ist doch ganz einfach! Also vorausgesetzt, es gibt eine Falle, dann liegt sie hinter der Tür zur Kammer des Wissens, weil die Hydree – die Schatzbesitzer – die richtige Tür beschriftet haben mit Hier ist die richtige Tür! Kapiert?«
    »Nein! Schluss damit!« Ihr Gefährte winkte energisch ab.
    »Wir gehen da jetzt einfach rein!«
    Neben dem Portal zur Kammer des Wissens ragte ein Oval aus der Wand. Seine Oberfläche war glatt und gab nach, als der Marsianer sie berührte. Ein leuchtender Abdruck seiner Fingerkuppe blieb zurück, der schnell wieder erlosch. Mehr geschah nicht. Das riesige Steintor öffnete sich keinen Millimeter.
    »Lass mich mal!«, forderte der Hydrit. Er drückte seine Handfläche gegen die dunkle Materie. Licht glomm auf, schimmerte durch Quart’ols Schwimmhäute und umspielte seine Finger. Es wurde stärker, begann zu blinken – zwei, drei Mal. Dann öffnete sich lautlos das Tor.
    Dahinter lag ein prachtvoller Saal.
    Quart’ol verharrte am Eingang, sah sich staunend um. Er hatte eine Kammer erwartet, und nun breitete sich vor ihm diese überwältigende Weite

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