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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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möchtest du nicht die Finger hinhalten, glaub mir! Komm, ich zeig dir was!«
    Quart’ol beugte sich hinunter, die Marsianerin folgte ihm.
    Unbemerkt von den beiden schlossen sich die Rillen der Knospenhaut wieder, die Clarice beinahe berührt hätte. »Sieh dir den Fuß an! Er endet in einer flachen Scheibe, die von winzigen Greifern besetzt ist. Damit hält sich das Tier am Untergrund fest. Es kann sich aber auch durch langsames Kriechen fortbewegen.«
    »Fortbewegen ist ein gutes Stichwort! Ich würde jetzt gern die Stadt sehen«, sagte Clarice. Sie klang enttäuscht.
    Auch ihr Gefährte sah nicht gerade begeistert aus, allerdings hatte das einen anderen Grund. Vogler stieß sich an der Euphorie, mit der Quart’ol ihn und Clarice durch den Park dirigierte, vorbei an Kilometer hohen Felssäulen, riesigen schwimmenden Lufttanks und einer Fülle exotischer Pflanzen.
    Nicht ein Mal zeigte der Hydrit dabei auch nur einen Anflug von Mitleid darüber, dass die Marsianer nie wieder an die Oberfläche würden zurückkehren können, jetzt, da die Transportqualle zerstört war.
    Das sagte ihm Vogler – und erhielt eine erstaunliche Antwort.
    »Schau mal nach oben«, forderte Quart’ol. Er grinste dabei wie ein übermütiges Hydritenkind.
    Vogler und Clarice hoben die Köpfe. In Schwindel erregender Höhe, dort, wo sich die gigantischen Felssäulen zu Trägern verzweigten, leuchtete der Himmel über Gilam’esh’gad. Er war übersät von Tausenden weißer Punkte.
    »Ich hab sie mir aus der Nähe angesehen«, sagte Quart’ol.
    »Es sind bionetische Rettungsboote, gebaut nach dem Prinzip der Transportquallen. Sie haben einen durchsichtigen Schirm, rund wie Pilzhüte, darunter ist eine Röhre. Sie bietet Platz für bis zu fünf Passagiere. Im Marianengraben gibt es aktive Vulkane, und wahrscheinlich waren diese Boote für eine schnelle Evakuierung der Stadt gedacht.«
    »Funktionieren sie noch?«, fragte Vogler misstrauisch.
    Quart’ol grinste. »Klar funktionieren sie noch – sie sind bionetisch!« Er zeigte nach Norden, Richtung Stadt. »Und nun lasst uns Gilam’esh’gad erforschen.«
    Quart’ol setzte sich in Bewegung. Die Marsianer folgten ihm; Vogler ein wenig betreten wegen seiner vorschnellen Anschuldigungen, Clarice ein wenig unsicher. Sie sah sich mehrmals um, wollte etwas sagen, tat es dann doch nicht.
    Alles an Gilam’esh’gad war groß und prunkvoll. Die Straßen waren mit den Schalen seltener Riesenmuscheln gepflastert; ihr Perlmuttglanz spiegelte sich an den Bauwerken rechts und links. Häuser wäre der falsche Ausdruck gewesen, obwohl es natürlich welche waren. Doch sie sahen so anders aus, so grandios. Den Gefährten präsentierte sich eine typische Metropole. Da waren Straßenzüge voll kleiner Gebäude; mit Geschäften, öffentlichen Plätzen und Parks. Dann wiederum gab es Stadtviertel von erlesenem Stil, in denen sich eine spiralförmige Villa aus Muschelkalk an die nächste reihte. Ein Stück weiter erhob sich eine Skyline in den Himmel von Gilam’esh’gad, höher als alle menschlichen Bauten, die Quart’ol je gesehen hatte. Es war ein ästhetisches Miteinander unterschiedlichster Formen aus dem Lebensbereich der Fischmenschen, von Schneckenhäusern und Muscheln bis hin zu tentakelartigen Stelzbauten. Alle waren wunderschön.
    Und verlassen.
    Quart’ol war so in die Betrachtung der Stadt vertieft, dass er die Stimmen anfangs gar nicht registrierte. Sie wehten durch die Straßen, wisperten von den Gebäudefassaden her. Leise nur, und doch omnipräsent.
    Clarice packte Quart’ol und Vogler am Arm, zog die beiden zurück und raunte: »Da – hört ihr das? Ich habe es vorhin schon bemerkt, aber geglaubt, ich würde es mir nur einbilden! Es klingt wie die Stimmen von Geistern! Wir sollten von hier verschwinden!«
    Quart’ol befreite sich sanft aus ihrem Griff. »Hier gibt es keine Geister, Clarice. Ich bin sicher, es gibt eine logische Erklärung für diese Klangspiele. Eine besondere Strömung vielleicht, die über Muschelkanten streicht…« Er verhielt für einen Moment; die schuppige Haut seiner Stirn legte sich in Falten. »Oder aber…«
    »Was… aber?«, platzte es aus der Marsianerin heraus, als er nicht weiter sprach. Quart’ol zögerte kurz, dann sagte er es ihr.
    »Nun, vielleicht liegst du mit den Geistern gar nicht mal so falsch – aber anders, als du es gemeint hast…«
    Skorm’ak, der Erste Meister des Geheimbundes, hatte einmal angedeutet, dass die Hydree eine Fähigkeit

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