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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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wie ein riesiger Rammbock erneut heran. Diesmal hielt sie ihr Maul geschlossen. Mit der Wucht eines Güterzuges stieß sie an die waidwunde Qualle, brachte deren gesamte Vorderseite zum Platzen.
    Quart’ol und die Marsianer wurden heraus geschleudert. Sie wären gestorben unter den Stromschlägen der Wasseraustauschröhre, hätte sich das Saurierweibchen nicht derart ereifert. So aber wurde ausgerechnet die Bestie zu ihrem Lebensretter.
    Der Stoß der Monsterechse trieb die drei durch den Rest des Tunnels. An seinem Ende lagen die Freiheit, das Leben – Licht und Weite und ein atemberaubender Anblick.
    Unterwasserwälder. Schwärme kleiner Fische. Ballonartige Kugeln, am Boden vertäut und offenbar mit Luft gefüllt. Eine gewaltige Parkanlage. Und in der Ferne…
    Gilam’esh’gad.
    Die Freunde waren am Ziel.
    ***
    Es dauerte seine Zeit, bis Clarice und Vogler wieder zu sich kamen. Sie hatten das Drama in der Schleuse nicht bewusst erlebt – der plötzliche Druckanstieg nach Quart’ols Ausraster bewirkte, dass sie ohnmächtig wurden.
    »Wieso lebe ich noch?«, fragte Clarice mit schwerer Zunge.
    Sie lag auf einem fremden Meeresboden, von Grünzeug umgeben, und kämpfte sich blinzelnd aus ihrer Benommenheit.
    Quart’ol lächelte. »Nun, zum einen, weil eure Ingenieure ausgesprochen gute Arbeit geleistet hat, was die Schutzanzüge betrifft, und zum anderen, weil hier in Gilam’esh’gad angenehme Druckverhältnisse herrschen.«
    »Wir sind da?« Clarice setzte sich auf, was erstaunlich leicht ging.
    »Wir sind da«, bestätigte Quart’ol. Er hatte das Headset retten können, was ein Segen, aber leider auch das Einzige war, was von der bionetischen Ausrüstung seiner Transportqualle übrig geblieben war.
    Der Hydrit wartete, bis ihn auch Vogler wieder hören konnte. Dann erstattete er Bericht.
    Das tobende Saurierweibchen hatte die drei in einen Park hinaus gestoßen, einen riesigen Bereich am Rande der Stadt, der noch höher und breiter war als das Bestiarium. Auch hier war die Kuppel mit biolumineszenten Mikroben besetzt; allerdings leuchteten sie weiß, und es existierten zusätzliche Lichtquellen, die den Boden erhellten und nicht pflanzlichen Ursprungs waren. Quart’ol vermutete, dass sich unterhalb von Gilam’esh’gad ein Kraftwerk befand. In Orbargol und anderen großen Hydritenstädten gab es das auch.
    »Ich bin ein bisschen herum geschwommen, während ihr bewusstlos wart«, sagte Quart’ol. Er bedeutete den Marsianern, ihm zu folgen. »Die Pflanzen hier sehen gesund und kräftig aus. Ich glaube, das ist weniger ein Park, als vielmehr eine Vorratskammer! Die Hydree haben sich ja rein vegetarisch ernährt.« Er lachte. »Und offenbar waren sie Feinschmecker! Ich finde hier weder Algen noch Tiefsee-Ko’onen.«
    Vogler war fasziniert. Er ließ sich durch eine Landschaft voller Gewächse treiben, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. Das war auch nicht möglich, wie er verblüfft erkannte.
    »Die stammen vom Mars!«, rief der Waldmann erstaunt. Er zeigte nacheinander auf eine Reihe exotisch anmutender Pflanzen, von pilzartigen Bodendeckern bis hin zu spiralförmig aufwachsenden Riesenrispen, die größer waren als jeder irdische Baum. Vogler berichtete Quart’ol, dass im marsianischen Utopia-Meer und den Elysium-Seen fast identisch aussehende Pflanzen zu finden waren.
    »Die Hydree müssen Proben mitgenommen haben auf ihrer Reise durch den Strahl!«, sagte er. »Offenbar ist es ihnen gelungen, Hybriden daraus zu züchten, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind.«
    »Aber das da ist nicht vom Mars!« Clarice hatte ein schönes, drei Meter hohes Gewächs erspäht und schwamm interessiert darauf zu. Es sah aus wie ein kräftiger Baumstamm, der sich nach oben verzweigte – immer kleiner, immer dichter, sodass der Eindruck entstand, er sei von Blättern bewachsen.
    Unten am Fuß wogten Dahlien ähnliche Blüten in leuchtendem Gelb. In der Krone steckten zwei Knospen. Sie maßen etwa fünfunddreißig Zentimeter und waren von einer kräftigen grünen Haut geschützt, die sich sternförmig öffnen konnte.
    »Blumen!« Clarice war begeistert. »Wer hätte gedacht, dass es in elftausend Metern Wassertiefe Blumen gibt?«, rief sie und streckte die Hand nach einer Knospe aus.
    »Halt!« Quart’ol schoss heran. Er zog Clarice zurück. »Tu das lieber nicht! Seedahlien sind keine Pflanzen, auch wenn sie so heißen. Es sind Nesseltiere, die Fische und Krebse fressen, und einem derart großen Exemplar

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