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1862 - Aufbruch der Herreach

Titel: 1862 - Aufbruch der Herreach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verlassen. Er wußte immer noch nicht, wie er sich der schon lange berühmt gewordenen Mahnerin erklären sollte; dabei war sie wahrscheinlich genau die richtige Ansprechpartnerin.
    Es wäre ganz einfach gewesen, sie anzusprechen, denn er war inzwischen einer der wenigen Privilegierten, die eine Kammer im Bethaus zugewiesen bekommen hatten - ein Clerea hatte es so erklärt: „Du verhilfst der Gebetsrunde zu wichtigen Fortschritten und solltest deshalb stets in der Nähe der Leitenden bleiben."
    Seine Gabe war also erkannt und dankbar angenommen worden; deshalb überwog seine Angst, aus der Runde ausgeschlossen zu werden, noch bei weitem seine Furcht vor dem Abend. Immerhin hatten die Schatten ihm bisher nichts getan. Sie beobachteten ihn, wollten ihn anscheinend nur kennenlernen. Sie wollten wissen, wer er war.
    Doch weshalb? Was hatten sie vor? Waren sie die Vorboten des bösen Fremden, das der Fremde namens Atlan bekämpfen wollte? Aber warum beachteten sie dann ausgerechnet ihn, Tarad Sul, einen völlig unbedeutenden Herreach und einfachen Bauern?
    Oder suchten sie längst die anderen Herreach ‘heim, die ebenso wie er die Nacht voller Zweifel und Ängste verbrachten und nicht wußten, wie sie sich anderen mitteilen konnten? Eine unmittelbare Beeinflussung war bisher jedoch nicht festzustellen. Kein Herreach benahm sich ungewöhnlich oder untypisch.
    Was also wollten sie von ihm? Er war doch keine Schlüsselfigur, auch wenn er von der Trance erleuchtet war. Doch er entschied nicht einmal über die Erscheinungsformen ...
    Und dann, in einer Nacht, wurden Augen aus den Schatten geboren. Nicht wie bei dem augengekrönten Goll, aber auch nicht völlig anders. Wieder hatten sie, sich ihm genähert, drei große Schemen, an den Rändern zerfließend und ohne sichtbare Gliedmaßen, einfach große, schwarze, schlierige Massen. Inzwischen kamen sie schon so nahe, daß er sie mit ausgestreckten Händen fast berühren konnte.
    Tarad Sul hielt abwehrend die Hände hoch, während er auf seiner Liege an die Wand zurückwich. Er sprach nicht, denn er wußte nicht, ob diese Wesen ein Gehör hatten.
    Doch sie bekamen Augen. Überall, oben und unten und an den Seiten, begannen sich plötzlich Augen zu öffnen. Riesige, gelblichrosa marmorierte Augen, die die Kammer mit einem seltsamen Licht erhellten.
    Vielleicht, hoffte Tarad Sul, wurde dieses Leuchten draußen bemerkt, und es kam Hilfe ...
    Doch es blieb alles ruhig und still. Die täglichen Gebetsrunden erschöpften die Herreach so sehr, daß sie in der Nacht schliefen. Die Umgewöhnung von den bisherigen Schlafperioden war somit beschleunigt worden, und es fiel schon keinem mehr auf.
    Die Schatten rückten Tarad Sul immer näher. Jetzt konnte er zudem die kleineren Augen erkennen, die ganz weiß waren und die aussahen, als bestünden sie aus Zähnen, ähnlich wie bei den Terranern ...
    Der Herreach war erstarrt vor Angst. Dieses Geschehnis ging weit über all das hinaus, was er bisher erlebt hatte, und er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Wenn er versuchte zu fliehen, hatten die Schatten ihn sicherlich blitzschnell eingeholt, und die zähnestarrenden Augen konnten ihn zerreißen ...
    Er könnte versuchen, um Hilfe zu rufen, aber seinem starren Mundschlitz entrang sich kein Laut. Er könnte versuchen, sie zu bannen, ihre Anwesenheit zu leugnen, sich allein in Trance zu versetzen, um diesem Alptraum hier entgehen zu können. Vielleicht würden sie sich von selbst auflösen, wenn er wirklich geistig vollkommen abwesend war und damit ihre Existenz nicht wahrnehmen konnte.
    Und dann fiel ihm ein anderer Weg ein. Was war bisher seine Aufgabe gewesen, seit er nach Moond gekommen war?
    Trokan wurde von einer fremden, anscheinend sehr bösen Macht bedroht. Kummerog, der die Herreach hätte beschützen sollen, war nicht mehr. Auch wenn es schwer zu akzeptieren war, so mußte diese Nachricht der Fremden doch stimmen, denn sonst hätte der Gott längst eingegriffen.
    Tarad Sul hatte gesehen, was mit Herreach geschah, die zu schwach oder nicht mutig genug waren. Er hatte sich ihnen stets überlegen gefühlt, und diese Sicherheit erfüllte ihn jetzt. Wovor fürchtete er sich eigentlich?
    Als einfacher Bauer war er gekommen, seine Kraft war als so wertvoll eingeschätzt worden, daß er sogar seinen Platz hier im Bethaus unter den Clerea zugewiesen bekommen hatte. Nun sollte er handeln, nicht abwarten.
    Entschlossen griff der Herreach an.
     
    *
     
    „Caljono Yai, ich begreife

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