1864 - Vorabend der Apokalypse
kamen aber immer wieder regelmäßig zusammen, um ihr Wissen aufzufrischen oder an Jüngere weiterzugeben. Darüber hinaus trafen sie sich, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem auch dieser Drache auf Helter Baaken erschöpft sein und man sich einen neuen Wohnplaneten suchen mußte, auf einer neuen Welt, in einem neuen Versteck.
Der Name war Duum Trelber, und er gehörte zu einem fast tausend Jahre alten Galornen, in eingeweihten Kreisen längst eine lebende Legende.
Dugesm hatte ihr auch verraten, wo und wie sie Duum Trelber in dem Fall erreichen konnte, daß sie seine Hilfe benötigte. Trelber lebte wie ein Eremit, zwar in einem Randbereich von Baaken Bauu, doch ohne Kontakt zu anderen Galornen außer seinen nächsten Nachbarn. In seinem Alter war das nicht so ungewöhnlich.
Erlas viel von alten Spulen und versank in der Sphärenmusik noch älterer Komponisten. Es hieß, daß er selbst musikalische Werke schuf, die allerdings noch nie öffentlich gemacht worden waren.
Der Weg zu Duum Trelber führte über Pega Mrion, seinen knapp vierhundertjährigen Lehrling und, wie Dugesm erklärt hatte, designierten Nachfolger. Mrion arbeitete bei sich zu Hause. Er war -nach außen hin selbständiger Landschaftsarchitekt.
Kaif Chiriatha nahm von einer Raumstation aus Kontakt mit ihm auf. Dem verderblichen Einfluß auf Helter Baaken wollte sie sich nicht unbedingt aussetzen, solange sie es umgehen konnte.
Hier im Weltraum war sie völlig sie selbst. Sie hatte das Gefühl, hier freier atmen zu können - und irgendwie leichter zu sein.
Größte Sorgen bereiteten ihr die Schüler und Erzieher in der Stadt der Kinder. Sie hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, die Siedlung evakuieren zu lassen. Doch noch hatte sie die Hoffnung, daß die Drachenbauer einen Rat wußten und das drohende Verhängnis abwenden konnten.
Und natürlich machte sie sich Sorgen um die Drachenbauer selbst. Wie weit hatte der Einfluß schon auf sie gewirkt?
Sie erreichte Pega Mrion beim zweiten Kontaktversuch. Mrion erschien ihr nicht als Holo, sondern als zweidimensionale Abbildung auf einem Bildschirm. Warum das so war, darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken.
Der Drachenbauer erkannte sie sofort und grüßte überrascht. Sie erwiderte die Geste und bedauerte, daß er ihr nicht persönlich gegenüberstehen konnte.
Galornen bildeten sich ein erstes Urteil über einen anderen nicht allein aufgrund seines Aussehens und Auftretens.. Sie hatten einen feinen Sinn für die mentale Ausstrahlung ihres Gegenübers. Diese Ausstrahlung konnte viel mehr verraten als ein Bild.
Dennoch fühlte sie sich für einen Moment verwirrt.
Pega Mrion war kräftig und sah gut aus. Seine Mimik und seine Bewegungen verrieten Würde. Er faszinierte sie vom ersten Moment an.
„Ich fühle mich geehrt, Kaif Chiriatha", sagte er mit angenehmer Stimme.
Bei ihm schien alles so perfekt zusammenzupassen, daß Kaif sich unwillkürlich fragte, wo der Haken war. Kein Galorne war vollkommen.
Er neigte fragend den Kopf zur Seite. „Was kann ich denn für dich tun? Du rufst aus dem Weltraum an.
Ist es also dringend?"
Er kam sofort zur Sache. Also gut. Kaif nickte.
Dann erzählte sie ihm so knapp wie möglich, daß und weshalb sie Duum Trelber zu sprechen wünsche.
Mrion verzog keine Miene, als sie schwieg. Er ließ sich mit der Antwort Zeit und musterte sie, als wolle er sie mit seinen Blicken durchleuchten. Dabei schien er vollkommen ruhig zu sein, nicht etwa schockiert durch die Eröffnung, daß möglicherweise der Drache in der Stadt der Kinder an allem Unheil der letzten beiden Tage schuld sei.
Oder hatten die Drachenbauer schon selbst diesen Verdacht? Wußten sie mehr als sie?
Wie viele von ihnen gab es überhaupt noch?
Kaif kam sich jetzt vor, als habe sie mit einer geheimen Vereinigung, einem verschworenen Bund Kontakt aufgenommen. Auf jeden Fall gefiel ihr nicht, wie Pega Mrion sie ansah.
Dann schien er aus einem Tagtraum aufzuwachen und zeigte wieder sein Lächeln.
„Ich werde Duum Treiber all das ausrichten, was du mir gesagt hast", versprach er dann. „Wie lange bleibst du in dieser Raumstation?"
„Nicht mehr lange", antwortete sie. „Ich habe fast Angst davor, nach Heiter Baaken zurückzukehren, aber ich kann mich der Verantwortung nicht entziehen. In Baaken Bauu erreichst du mich unter ..."
Sie nannte ihm die Rufkombination ihres Hauses, und der junge Architekt nickte.
„Stell es dir nicht zu leicht vor", sagte er. „Ich werde mich melden -
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