1864 - Vorabend der Apokalypse
überstimmen kann. Und alle, mit denen ich gesprochen habe, wollen Klarheit über den Zustand des Drachen. Wir müssen also alle Drachenbauer zusammenrufen, um ihnen unsere Argumente und Befürchtungen vorzutragen. Sie sollen sich zudem Duum Trelber anhören und dann ihr Urteil abgeben. Haben wir auch nur eine Stimme Mehrheit, dann werden wir in den Drachen steigen."
„Das hört sich so an, als seien wir bereits Verbündete", sagte Kaif.
„Ich will wissen, ob der Drache noch so funktioniert, wie er es soll", antwortete Pega Mrion. „Glaubst du, es machte mir Spaß, meinem Lehrmeister in den Rücken zu fallen?"
*
Die Drachenbauer, genau fünfzig und kurioserweise ausschließlich männlichen Geschlechts, trafen einer nach dem anderen in der Raumstation ein. Kaif hatte die Station als Versammlungsort vorgeschlagen, um nicht erleben zu müssen, daß die Aggressivität von ihnen Besitz ergriff und jede konstruktive Unterhaltung unmöglich machte.
Noch immer zögerte sie damit, die Stadt der Kinder evakuieren zu lassen. Die praktischen Voraussetzungen waren noch gar nicht geschaffen.
Kaif hatte jedoch eine Botschaft an die Bewohner von Baaken Bauu aufgezeichnet, die stündlich neu abgestrahlt wurde. Darin bat sie alle Familien, sich für die Aufnahme je eines Kindes zur Verfügung zu stellen und bereit zu halten.
Was sie konkret tun konnte, war auch wieder nur, das Gelände rund um den Schacht des Drachen durch Roboter weiträumig abzuriegeln. Andere Roboter legten die Schulgebäude unter Schirmfelder, und wieder andere griffen weiterhin überall ein, wo gekämpft wurde, und setzten ihre Paralysestrahler ein.
Als die Besprechung in einem kärglich eingerichteten Konferenzraum der Station begann, hatte es aus Baaken Bauu zwölf weitere Todesmeldungen gegeben. Und in der Stadt der Kinder war der erste Erzieher erschlagen worden.
Duum Trelber war als letzter gekommen. Als Kaif ihn begrüßte, hatte sie seine umwerfende Ausstrahlung gespürt.
Sie war innerlich gespalten. Auf der einen Seite war der hochgebildete, weise alte Mann und auf der anderen der starrköpfige Greis, der sich mit Händen und Füßen gegen alles wehrte, was nicht in sein Weltbild paßte.
Kaif faßte nochmals das Problem zusammen, so, wie sie es sah, und bat schließlich um Abstimmung darüber, ob die Drachenbauer den Drachen untersuchen wollten oder nicht. Erst wenn dieser Punkt geklärt und Duum Trelber überstimmt war, konnte sie die Frage nach den Freiwilligen stellen, die bereit waren, in den Schacht zu steigen.
Natürlich ergriff auch Trelber das Wort und protestierte heftig gegen den „Frevel". Er führte. an, daß nichts anders sei als in der langen Zeit seit der Besiedlung der Pentrischen Wolke durch die Galornen. Demnach könne also auch kein fremder Einfluß den Drachen „gestört" haben.
Kaifs Frage, ob er Kontrollinstrumente besitze, um das von Baaken Bauu aus so genau festzustellen, ließ er unbeantwortet. Seine grimmige Miene war allerdings Antwort genug.
„Klarheit kann uns allen also nur eine Untersuchung des Drachen von innen bringen", appellierte Kaif Chiriatha an die versammelten Gildenmitglieder. „Ich bitte euch um eure Hilfe, damit nicht noch mehr unschuldiges Blut vergossen wird und unermeßliches Leid über unser Volk kommt. Ich bin sicher, im Sinne Ce Rhiotons zu sprechen. Er hätte es so gewollt."
Das war ihr letzter Trumpf. Die Erwähnung des Boten verfehlte ihre Wirkung so gut wie nie.
Als Kaif sich setzte, fing sie einen Blick Pega Mrions auf. Der junge Drachenbauer nickte ihr zu, fast unmerklich. Sie wußte, daß er an ihrer Stelle gesprochen hätte, wäre sie ihm nicht zuvorgekommen. Denn egal, wie die Entscheidung nun ausfiel: Sie wollte nicht, daß ihm durch ein offenes Engagement vielleicht Nachteile unter seinesgleichen erwuchsen.
Die Drachenbauer stimmten in geheimer Wahl ab. Vor jedem von ihnen stand eine Konsole. Sie gaben ihre Entscheidung mit verdeckter Hand ein; und das Ergebnis der Computerauszählung erschien auf einem großen Bildschirm hinter Kaif Chiriathas Rücken.
Fast hätte sie einen Aufschrei der Erleichterung ausgestoßen: Das Ergebnis lautete 29 zu 21 für die Untersuchung des Drachen.
„Ich protestiere!" rief Duum Trelber heftig aus und stand auf. „Ich werde diesen Frevel verhindern!
Ich ..."
„Bei aller Ehrfurcht vor deinem Alter und allem Respekt vor deinen Leistungen, Duum Trelber", wurde er von Kaif unterbrochen, „aber das Ergebnis ist durch mehrheitlichen
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