189 - Die Nebelhexe vom Central Park
und da er sehr schlank war, machte er einen eleganten und seriösen Eindruck.
Er färbte sein Haar spleenig grauweiß, hatte ein sonniges Gemüt und war seit langem für den amerikanischen Geheimdienst CIA tätig.
Man hatte ihn früher als eine Art Feuerwehr eingesetzt. Gab es irgendwo auf der Welt einen Krisenherd, schickte man Noel, die Ein-Mann-Armee.
Sein unmittelbarer Vorgesetzter, General Mayne, ließ ihm stets freie Hand, weil er wußte, daß sich Noel sowieso nie an die Leine legen ließ.
Noel Bannister erledigte jeden Auftrag - aber immer auf seine Weise. Niemand durfte ihm vorschreiben, wie er eine Sache anpacken sollte.
Seine Erfolge hätten ihm eine Menge Auszeichnungen und Ehrungen eingebracht, aber er legte keinen Wert auf glitzernde Orden und große Feiern mit hochgestochenen Ansprachen.
Er wollte mir die Reisetasche abnehmen, doch ich gab sie ihm nicht. »Es geht schon. Ich möchte nicht, daß du dir einen Bruch hebst«, sagte ich.
»Meine Güte, jetzt merke ich erst, wie sehr mir deine zynischen Bemerkungen fehlten«, gab Noel grinsend zurück.
Wir verließen das große Flughafengebäude, und Noel führte mich zu seinem Wagen, einem mausgrauen Dodge. Ich stellte meine Reisetasche auf den Rücksitz und stieg ein.
»Wir haben uns lange nicht gesehen«, stellte der CIA-Agent fest. »Bestimmt hast du mir eine ganze Menge zu erzählen. Was läuft denn so in England?«
Noel fuhr los, und ich erzählte ihm von Rat-Tar, dem Ratten-Dämon, der den Patienten des St. Paul’s Hospital den Schritt ins Jenseits ermöglicht hatte.
Auch über andere Fälle, die schon etwas weiter zurücklagen, berichtete ich ihm, weil ich wußte, daß sie ihn ehrlich interessierten.
Lange Zeit war Noel Bannister ein völlig »normaler« Agent gewesen. Das änderte sich an dem Tag, an dem er zum erstenmal dem größenwahnsinnigen und genialen Wissenschaftler Professor Mortimer Kull begegnete.
Kull beeinflußte nicht nur Noels Leben, sondern auch unseres erheblich. Er lebte nicht mehr, aber er hatte überall deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.
Als Kull sich mit der Hölle verbündete und in der weiteren Folge sogar von Asmodis zum Dämon geweiht wurde, schuf die CIA eine Sonderabteilung.
Die Agenten des amerikanischen Geheimdienstes entlarvten Spione des Ostblocks, entthronten korrupte Machthaber, kämpften unter mörderischen Bedingungen gegen grausame Guerillas… Sie wurden mit vielen Feinden fertig, aber dennoch gab es in ihrem Verteidigungssystem eine Lücke: Im Kampf gegen Feinde aus der Hölle hatten sie keinerlei Erfahrung, und das sollte Noel Bannister ändern.
Seine Aufgabe war es, die neue Sonderabteilung ins Leben zu rufen und zu leiten. Er bat uns um Hilfe, und wir unterstützten ihn bereitwillig. Wir halfen ihm bei der Auswahl der geeigneten Männer, bereiteten sie so seriös wie möglich auf die Konfrontation mit der schwarzen Macht vor, berieten die Abteilung in Waffenfragen, gehörten gewissermaßen - wenn man es nicht zu eng sah - dazu.
Wir hatten eine Sonderstellung, standen auf einer geheimen Gehaltsliste der Agency, brauchten aber weder von Noel Bannister noch von General Mayne Befehle entgegenzunehmen.
Es war ein sehr lockeres, legeres Verhältnis, das uns verband. Und wenn wir um Hilfe »gebeten« wurden, waren wir für unsere amerikanischen Freunde nach Möglichkeit immer zur Stelle. Eigene Probleme hatten dabei selbstverständlich Vorrang.
Wir näherten uns dem East River.
Ich kannte mich sehr gut aus in New York. Ein sehr guter Freund, der WHO-Arzt Frank Esslin, hatte hier, in Queens, Nähe College Point, gewohnt.
Gott, war das lange her. Frank lebte zwar noch, aber er war nicht mehr mein Freund. Die Hölle hatte ihn umgedreht und zu unserem Todfeind gemacht. Wo er sich zur Zeit aufhielt, wußte ich nicht. Es war auf jeden Fall für uns beide besser, wenn wir uns nicht mehr begegneten.
»Wie ist die Lage sonst zu Hause?« fragte Noel. »Alles in Ordnung? Was macht Vicky? Hält sie’s immer noch mit dir aus?«
»Ich sehe diesbezüglich überhaupt kein Problem. Übrigens: Jubilee hat einen jungen Mann kennengelernt, den sie uns demnächst vorstellen möchte.«
»Dann muß es sich um etwas Ernstes handeln. Ich mag Jubilee. Sag ihr, daß ich auf jeden Fall bei ihrer Hochzeit dabeisein möchte.«
Ich grinste. »Hör mal, dich kann man doch nicht einladen, du hast doch keine Manieren.«
»Das stimmt, aber für Jubilee lege ich mir welche zu.«
»Ich bestelle es ihr«, versprach
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