19 - Am Jenseits
seligmachenden Glaubenszuversicht; die heißesten Kämpfe werden vielmehr im verborgenen Innern ausgerungen, wo der Einfluß dunkler Mächte größer ist als im sichtbaren Leben, welches nur die Wirkungen dieses Einflusses zeigen kann. Wohl dir, meine liebe Hanneh, wenn deine Engel die Hände über dich breiten, um solche Mächte und solche Kämpfe von dir fernzuhalten! Nicht jeder besitzt die Überzeugungskraft, welche erforderlich ist, siegreich aus ihnen hervorzugehen.“
Da lächelte sie mich herzig an und sagte:
„Sihdi, warum sollte ich kämpfen, also etwas so Schweres tun, was ich ja gar nicht nötig habe? Du hast mir deinen herrlichen Glauben gebracht und mir ihn in mein Herz gelegt. Was du mir gibst, ist gut. Da liegt er nun wie eine Sonne, die mich und mein ganzes Leben hell erleuchtet und erwärmt, und wo es eine solche Sonne gibt, da können finstere Mächte doch nicht sein. Wir haben jetzt hier eine irdische Kijahma erlebt, die Auferstehung eines Leibes von den Toten; du aber hast mir durch deinen Glauben schon längst eine schönere, eine herrlichere Kijahma gebracht, eine Auferstehung der Seele von dem Tod, ein Hervorsteigen aus dem Grab des Irrtums, in welchem es für mich kein Wiedererwachen, sondern nur Verwesung gab. Diese Kijahma ist für dich im Buch des Lebens aufgezeichnet und wird für dich zeugen, wenn einst deine Taten, Worte und Gedanken abgemessen werden!“
„Sie hat in Gottes Willen gelegen und ist das Geschenk seiner Liebe, die alle Menschen selig machen will; ich besitze kein Recht, mir einen Dank dafür anzumaßen. Es ist ja so leicht, den Glauben in ein Herz zu legen, welches ihm so sehnend, so willig und voll Vertrauen offen steht. Zwar ist dieses Sehnen in jede Menschenbrust gelegt, aber zugleich wohnen da auch die Geister des Hochmutes, der Selbstgefälligkeit, der Genußsucht, des Ungehorsams, der sich nicht strafen lassen will, und noch viele andere, die es nicht zu Worte kommen lassen.“
Da nahm Omar Ben Sadek das Wort, indem er sagte:
„Effendi, du sagst die Wahrheit, wenn du von diesen Geistern redest. Was war ich für ein Mann, als du mich kennen lerntest? Ein nach Rache, nach blutiger Vergeltung schnaubender Mensch, ein Anhänger des Islam, der nur sich selbst liebte, seine Feinde haßte und gegen alle andern Personen nichts als stolze Gleichgültigkeit empfand. Du warst der erste unter allen Leuten, der mich zur Achtung zwang. Darum wünschte ich, ebenso wie Hadschi Halef, unser jetziger Scheik, daß du Mohammedaner werden möchtest, denn wir hatten dir so viel zu verdanken und wollten dir den Himmel gönnen, den wir nur für die Anhänger des Propheten offen glaubten. Wir arbeiteten an dir ohne Unterlaß, zu jeder Zeit; du sagtest nichts dazu; ein Lächeln war alles, was dir unsere Bemühungen entlocken konnten. Ein anderer an deiner Stelle hätte uns mit den Lehren des Christentums bekämpft, und es wäre ein unerquicklicher Wortstreit entstanden, der uns verfeindet und unsere schließliche Trennung herbeigeführt hätte. Du aber warst zu klug, in das Verhalten der Prediger zu verfallen, welche, ohne unsere Lehren zu kennen, uns zumuten, die ihrigen als richtiger und besser anzunehmen. Du brachtest keine Lehren; du sagtest keine Worte, aber du sprachst in Taten. Du lebtest ein Leben, welches eine hinreißende, eine überzeugende Predigt deines Glaubens war. Wir waren deine Begleiter und lebten also dieses dein Leben mit. Der Inhalt des deinigen war Liebe, nichts als Liebe. Wir lernten diese Liebe kennen und liebten zunächst auch dich. Wir konnten nicht von dir lassen und also auch nicht von ihr. Sie wurde größer und immer mächtiger in uns; sie umfaßte nicht bloß dich, sondern nach und nach auch alle, mit denen wir in Berührung kamen. Jetzt umfängt diese unsere Liebe die ganze Erde und alle Menschen, die auf ihr wohnen. Wir haben den Koran vergessen; wir sind gleichgültig geworden für die Gesetze des Propheten, durch welche die Geister, von denen du sprachst, ihre Macht über uns gewannen. Unser Stamm ist groß und berühmt geworden durch das Beispiel, welches wir befolgten, weil es uns von dir, den wir liebten, gegeben wurde. Wir sind unabhängig geworden durch dich; wir kennen keinen Scheik und keinen Stamm der Dschesireh, von dessen Willen wir uns bestimmen lassen. So haben wir uns auch von der Oberhand des Islam freigemacht. Wir wollten dich zu ihm bekehren, sind aber, ohne daß wir es nur merkten, durch die Predigt deiner Taten, welche nichts als
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