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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram.“
    Es war wirklich lustig anzuhören, wie schnell und fehlerlos er diese lange Schlange herunterleierte. Und ebensoviel Spaß machte mir dabei der Anblick der fünfzig Haddedihn, welche die zwei Dutzend Worte leise mitsagten und dabei die Lippen wie kauende Kaninchen bewegten. Da der Münedschi ein Beduine war, hatte ich nicht zu befürchten, daß der Name und die vorhergehende Zurechtweisung ihm lächerlich vorkommen würden. Er hatte mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit zugehört und fragte nun:
    „Bist du vielleicht derselbe Scheik Halef Omar der Haddedihn, welcher vor einigen Jahren den Schatz der Schmuggler in den Ruinen des Birs Nimrud im alten Babylon entdeckt hat?“
    „Ja, der bin ich allerdings!“ antwortete der kleine Hadschi mit großem Selbstbewußtsein. „Du weißt also von dieser meiner Ruhmestat? Wo hast du denn davon gehört?“
    „In Meschhed Ali, der heiligen Stätte der Schiiten.“
    „Wann?“
    „Jetzt, als wir dort waren.“
    „Du und El Ghani?“
    „Ja!“
    „Aber ihr seid doch nicht Schiiten!“
    „Nein. El Ghani ging als Gesandter des Großscherifs hin und nahm mich mit.“
    „Darf ich fragen, was er dort sollte?“
    „Das weiß ich nicht; er hat es mir nicht gesagt. Es scheint eine religiöse Angelegenheit gewesen zu sein, von welcher nur der Großscherif und sein Bote wissen durften.“
    „Und dort habt ihr von mir gehört?“
    „Ja. Es waren Perser da, welche euer damaliges Erlebnis ganz genau kannten. Die Schmuggler, welche von euch ergriffen wurden, sind, anstatt Strafe zu bekommen, mit der Anstellung als Zollbeamte begnadigt worden. Darum verkünden sie euern Ruhm, so oft und so weit sie nur können. So haben auch wir davon erfahren.“
    „Du sagst ‚euer‘, sprichst also nicht von mir allein?“
    „Weil noch jemand bei dir gewesen ist, ein Effendi aus dem Abendlande. Er war ein Christ und hat Emir Kara Ben Nemsi geheißen. Ist das richtig?“
    „Ja.“
    „In welchem Reiche des Abendlandes ist er geboren?“
    „In Dschermanistan.“
    „Das dachte ich mir allerdings, denn Ben Nemsi ist ja dasselbe wie Sohn von Dschermanistan. War er auch wirklich ein Christ?“
    „Der beste, den es geben kann!“
    „Es wird von ihm erzählt, daß er, obgleich er ein Christ ist, den ganzen Koran auswendig könne. Ist das wahr?“
    „Ja.“
    „Auch sollen ihm alle Auslegungen desselben besser und vollständiger bekannt sein als mohammedanischen Gelehrten.“
    „Auch das ist richtig.“
    „Ich bin ein armer Mann und habe keinen Besitz; aber wenn ich reich wäre, ich würde gern die Hälfte meines Vermögens dafür geben, wenn ich ihn einmal einige Tage bei mir haben und mit ihm sprechen könnte!“
    „Warum?“
    „Weil ich die heilige Schrift der Christen so kenne, wie er den Koran kennt. Es würde mir eine Wonne sein, mit so einem Manne, wie er zu sein scheint, die wirkliche Wahrheit zu ergründen und ihn zu den Lehren des Islam zu bekehren.“
    Als er dies sagte, holte er tief, sehr tief Atem wie einer, dem die Sache, von welcher er spricht, außerordentlich am Herzen liegt und schon viele Sorgen bereitet hat. Schon das war für seinen Koranglauben kein günstiges Zeichen. Dazu kam, daß er erst mit mir ‚die wirkliche‘ Wahrheit zu erforschen wünschte, sich also noch nicht im Besitze derselben wußte. Wenn er trotzdem davon sprach, mich zum Islam bekehren zu wollen, so war das wohl nur eine Redensart und dazu bestimmt, seine eigene Unsicherheit zu verhüllen. Dieser Mann schien zu den vielen Dürstenden zu gehören, welche die Quelle niemals finden, weil sie blind an ihr vorübergehen. Er kannte ja nach seiner eigenen Behauptung die heilige Schrift und also auch das Wort ‚Ich bin die Wahrheit und das Leben‘, und doch war er bei diesem Brunnen der wahren Weisheit nicht geblieben! Diese meine Folgerungen und Schlüsse zog Halef jedenfalls nicht; er handelte und sprach ja meist nach seinem Gefühle; dies tat er auch jetzt, und zwar in einer Weise, die außerordentlich charakteristisch für ihn war.
    „Wünsche das nicht, ja nicht!“ warnte er.
    „Warum nicht?“ erkundigte sich der Münedschi.
    „Du würdest von dem, was du hoffest, grad das Gegenteil erreichen.“
    „Wieso?“
    „Ich bitte dich, es dir durch ein Beispiel erklären zu dürfen. Wir waren in Erbil, einer in der Dschesireh liegenden Stadt, die du vielleicht nicht kennst, und gingen in

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