19 - Am Jenseits
als ein ganz gemeiner Verbrecher bezeichnet wurde. Das machte uns ihm in der Weise überlegen, daß jede Besorgnis, die wir seinetwegen vielleicht noch gehabt hätten, schwinden mußte.
„Wir können und werden dir behilflich sein“, versicherte ich ihm aus den angegebenen Gründen. „Darum wollen wir keine Zeit verlieren und hier nicht länger im Gespräch halten bleiben. Ich habe dir schon gesagt, daß die Gesuchten sich nicht hinter, sondern vor uns befinden. Wir können im Weiterreiten das besprechen, was zu besprechen ist.“
Ich setzte mich, mit dem Basch Nazyr neben mir, an die Spitze des Zuges und winkte Halef, sich uns beizugesellen. Das liebe Kerlchen war infolge der Zurechtweisung, die er von dem Perser, von mir und auch von Hanneh bekommen hatte, kleinlaut geworden und machte Miene, bei dem Tachterwahn zu bleiben. Ich wußte, daß ihm diese Zurückhaltung außerordentlich schwer wurde, und rehabilitierte ihn also dadurch, daß ich ihm durch den Wink die Stelle anwies, an welche er als Scheik und als mein Freund gehörte. Seine Unvorsichtigkeit war nicht gutzuheißen; aber sie blieb ja ohne die befürchteten Folgen, und er hatte seine unbedachten Äußerungen nur aus Liebe zu mir getan. Hinter uns ritten die Haddedihn, denen die Soldaten mit ihrem Khabir folgten. Selbstverständlich trieben wir die Kamele dabei zur Eile an. Wahrscheinlich wartete Khutab Agha, um sofort bestimmte Mitteilungen von uns zu hören; aber da ein Zusammenhandeln zwischen ihm und uns zu erwarten war, so kam es mir vor allen Dingen darauf an, zu erfahren, welche darauf bezüglichen Eigenschaften und Ansichten er besaß; darum sprach ich zunächst die Erkundigung aus:
„Hast du bei deinem Aufbruch von Meschhed Ali an die Gefahren gedacht, welche von einem solchen Ritt unzertrennlich sind?“
„Ja, aber ich fürchte sie nicht“, antwortete er. „Ich bin, bevor ich Basch Nazyr wurde, Offizier des Schah-in-Schah gewesen und befinde mich nicht zum erstenmal in der Wüste. Auch ist unser Khabir ein ausgezeichneter Führer, auf den ich mich verlassen kann.“
„Daß du dich nicht vor der Wüste fürchtest, habe ich als selbstverständlich angenommen, denn scheutest du dich vor ihr, so hättest du diesen Weg nicht selbst gemacht, sondern einen Anderen damit beauftragt. Und daß euer Khabir ein tüchtiger Mann ist, unterliegt auch keinem Zweifel, denn wenn er das nicht wäre, hätte er es nicht gewagt, von der Karawanenstraße abzuweichen.“
„Er kennt die Brunnen, welche außerhalb dieses Weges liegen und von den Beduinen heimlich gehalten werden. So weiß er zum Beispiel ganz genau, daß wir heut an den Bir Hilu kommen werden, wo es gutes, nicht salziges oder bitteres Wasser gibt.“
„Dahin wollen wir auch, und dort werden wir höchst wahrscheinlich die Diebe treffen.“
„Wirklich?“ fragte er rasch und in frohem Tone.
„Ja.“
„Welche Freude für mich! Ich will dir gestehen, daß ich es schon fast aufgegeben hatte, ihre Spur wiederzufinden und sie noch in der Wüste einzuholen, was doch unbedingt nötig ist, wie ich wohl nicht erst zu sagen brauche.“
„Ja, unterwegs haben sie die gestohlenen Sachen noch bei sich und können also überführt werden; auch zählen sie da nicht mehr, als gleichviele andere Leute zählen würden. Später aber, in Mekka, werden sie ihren Raub schleunigst verstecken, und außerdem würde eine Anklage gegen sie auch deshalb fast unmöglich sein, weil ihr Anführer ein Schützling des Großscherifs zu sein scheint, was dort von großer Wichtigkeit ist, während es hier unterwegs nicht in die Waagschale fällt. Das bringt mich aber wieder auf meine Frage zurück, mit welcher ich nicht die Gefahren der Wüste an sich gemeint habe.“
„Welche sonst?“
„Es gibt für euch noch andere, viel größere, deren Ursache in dem Haß zwischen Schiiten und Sunniten liegt. Sobald du das an der Grenze befindliche Meschhed Ali verlassen hast, befindest du dich nicht mehr auf schiitischem Gebiete, und je weiter du dem Weg nach Mekka folgst, desto mehr näherst du dich dem Mittelpunkt der Feindschaft, welche gegen euch gerichtet ist. Die Bewohner Arabiens sind fanatische Sunniten, und dazu kommt, daß besonders die Nomaden unter ihnen jeden Zwang und jede Beeinträchtigung ihrer Freiheit mit rücksichtsloser Energie von sich weisen. Ihr Widerwille richtet sich darum ganz besonders gegen das Militär. Nun kommst du, der Schiit, mit zwanzig Soldaten in die arabische Wüste, in welcher jeder dir
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