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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meine Augen auf sich und sah mich bittend, ja fast flehend an. Erzählt sollte werden, erzählt! Das wurde von mir verlangt und nicht von ihm! Wer da weiß, daß das Erzählen beinahe eine Leidenschaft von ihm war, der kann sich denken, was mir sein Blick sagen sollte. Er war vollständig überzeugt, daß nur er allein das Geschick besitze, eine Begebenheit in der richtigen Weise zu schildern. Selbst mich, dem er doch in jeder andern Weise mehr zutraute als allen anderen Menschen, hielt er nicht für befähigt genug, irgend etwas so zu erzählen, wie es sich seiner Ansicht nach gehörte. Und nun gar ein Ereignis, wie dasjenige war, um welches es sich jetzt handelte! Eine Auferstehung von den Toten! Eine Beraubung des schiitischen Heiligtums durch einen sunnitischen Abgesandten des Großscherifs, der dessen Liebling war! Und wer sollte die Erzählung hören? Ein Mann, der eines der höchsten schiitischen Ämter bekleidete und sogar der Freund unseres Freundes Mirza Dschafar war! Waren das nicht mehr als genug Gründe, daß diesen Bericht ein dazu vollständig befähigter Mann zu übernehmen hatte? Und wer war so ein Mann? Nur Hadschi Halef Omar allein, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar! Von jedem andern, auch von mir, war es gewiß, daß er die kostbare Erzählung vollständig verderben werde! Zudem war er vorhin ausgescholten worden und durfte von mir erwarten, daß ich sein Ansehen wiederherstellen werde, was am leichtesten und besten dadurch geschehen konnte, daß ich ihm Gelegenheit gab, das Licht seiner Beredsamkeit leuchten zu lassen. Dieser letztere Grund bewog mich, ihm einen gewährenden Wink zu geben. Er begann denn auch sofort und in frohem Tone seine Rede:
    „In welcher Weise sich unsere Begegnung mit ihnen zugetragen hat, willst du wissen? Ich werde dir es genau so berichten, wie es sich ereignet hat, und bin überzeugt, daß du meiner Rede mit andächtiger Bewunderung folgen wirst. Allah schenkte jedem Menschen einen Mund und eine Zunge; nicht allen aber ist die köstliche Gabe verliehen, aus diesem Munde mit Hilfe dieser Zunge die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ereignisse der Welt- und aller anderen Geschichte in so schöner und so vollständiger, ungestörter Ordnung hervorlaufen zu lassen, wie die Gesetze der Kunst und die Regeln der wohlklingenden Sprachfertigkeit es verlangen. Ich fordere dich also auf, ergebenst zuzuhören und mich nicht zu unterbrechen!“
    Ich muß gestehen, daß wir jetzt allerdings ein Meisterstück zu hören bekamen, freilich ein Meisterstück nach Halefs Art. Er verstand es, das Unbewegliche beweglich und das Tote lebendig zu machen; alles bekam durch ihn Gestalt, Farbe und Inhalt; er wußte selbst das einfachste, und wenn es nur das Sandkorn der Wüste war, in einer Weise zu beschreiben, die ihm Interesse verlieh. Natürlich wurde der Sperling zum Albatros und der Tropfen zur Überschwemmung umgewandelt. Aus Hanneh machte er eine Göttin, aus mir wenigstens einen Halbgott, aber aus sich eines jener unbegreiflichen, paradiesischen Wesen, wie sie, alle Mächte, Kräfte und Gesetze beherrschend, in der Poesie des Morgenlandes leben und Wunder über Wunder tun. Es wurde mir himmelangst, wie der Perser diese Schilderung aufnehmen werde. Glücklicherweise war er Orientale, verstand es also, das wirklich Wahre herauszufühlen, und hörte dem, was der Phantasie entsprang, mit jener stillen, in den Augen strahlenden Begeisterung zu, welche im Abendland nur dem gläubigen Kind beim Märchenerzählen eigen ist.
    Als Halef geendet hatte, sah er ihn mit einem zur Äußerung fordernden Blicke an, und als der Agha trotzdem schwieg, weil er sich nicht so schnell wie der Erzähler in die Wirklichkeit zurückfinden konnte, fragte dieser:
    „Nun, was sagst du dazu? Hast du schon jemals solche Taten vernommen und schon jemals in der wohlgesetzten Rede eines Hakawati (Erzählers) so herrliche Poesie gehört? Begreifst du diese Kijahma, diese Auferstehung eines Toten, der noch gar nicht gestorben war, und wieder zur Erde zurückgekehrt ist, obgleich er sie noch gar nicht ganz verlassen hatte?“
    „Ja, du bist ein sehr guter, ein ausgezeichneter Erzähler, wie ich noch selten einen gehört habe“, antwortete der Gefragte allen Ernstes. „Man könnte dir den ganzen Tag zuhören, ohne nur einen Augenblick zu ermüden.“
    Das war ein Lob, welches ihm noch höher, viel höher stand, als wenn man sich über seine Klugheit, seinen Mut und seine

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