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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die in den unterirdischen Kammern von Kerbela und Meschhed Ali aufgehäuft werden und einen immer wachsenden Wert von vielen Millionen besitzen. Daß da Allah nicht der einzige Empfänger ist, versteht sich ganz von selbst. Auch ist es dagewesen, daß Eroberer sich dieser Schätze bemächtigt haben, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Aber sie wachsen immer wieder und immer weiter an, so daß man eben jetzt, in gegenwärtiger Zeit, behauptet, daß man mit den an den beiden genannten Orten angehäuften Vermögen ganz Persien aufkaufen und bezahlen könne.
    Unser neuer Bekannter Khutab Agha war in Meschhed Ali als Basch Nazyr, als Oberaufseher der dortigen Schatzkammer angestellt, also einer der hervorragendsten Beamten dieser Stadt. Wenn so ein Mann die Verfolgung eines Diebes persönlich unternahm und sich dabei den Gefahren eines weiten Rittes durch die für ihn als Schiit doppelt gefährliche arabische Wüste aussetzte, so konnte es sich nicht um unbedeutende Objekte handeln. Ich öffnete den kleinen Beutel, welcher mit ‚Sih ängust (drei Finger)‘ bezeichnet war. Er enthielt drei Finger, wie zu erwarten war, aus purem Gold und mit den erkrankten Stellen nachgebildet; an jedem steckte ein Ring mit Edelsteinen. Wenn der Inhalt der andern Beutel ein gleich oder auch nur ähnlich kostbarer war, so verlohnte es sich für einen Dieb gar wohl des allerdings großen Wagnisses, nach Meschhed Ali zu gehen und dort in den Kanz el A'da einzudringen. Kanz el A'da, Schatz der Glieder, heißt nämlich dort diejenige Abteilung der tief unter der Erde liegenden Räume, in welcher die aus edlen Metallen und Steinen bestehenden Nachbildungen menschlicher Körperteile aufbewahrt werden.
    Wir banden den Beutel wieder zu und verzichteten darauf, noch andere zu öffnen, denn erstens fehlte uns die Zeit dazu, zweitens war eine Überraschung durch die Beni Khalid möglich, und drittens durften wir annehmen, daß wir den Inhalt der übrigen auch noch sehen würden. Wir wickelten den Teppich wieder zusammen und banden die Schnur genau wieder so um ihn, wie sie vorher um ihn geschlungen gewesen war.
    „Nehmen wir das Paket mit, Sihdi?“ fragte Kara, dem das, was er gesehen hatte, gewaltig imponierte, was bei seiner Jugend ja auch sehr begreiflich war.
    „Nein“, erwiderte ich.
    „Nicht? Warum nicht, Effendi? Dieses Gold und diese Diamanten sollen hier liegen bleiben?“
    „Ja, und zwar weil sie uns überhaupt nicht gehören und wir sie doch nicht stehlen werden, und weil wir El Ghani nur dann des Raubes überführen können, wenn er glaubt, daß niemand das Paket gesehen hat.“
    Ich sah ihm an, daß er mich nicht begriff; da er es aber nicht wagte, mich mit einer darauf bezüglichen Frage zu belästigen, so forderte ich ihn auf:
    „Komm jetzt wieder mit herab! Ich werde es dir nachher erklären. Leg die Steine möglichst so darauf, wie sie erst gelegen haben! Jetzt möchte ich vor allen Dingen erfahren, warum El Ghani beim Ersteigen des Felsens so große Eile gehabt hat. Es ist mir bis jetzt nicht möglich, dieses heimliche Heraufklettern und Verstecken der Sachen hier mit der Anwesenheit so vieler Beni Khalid in Einklang zu bringen. Sie müssen doch unbedingt gesehen haben, was er tat!“
    Als die Stelle ihre frühere Beschaffenheit wieder erhalten hatte, stiegen wir wieder hinab und auf die Pferde, welche, weil gut erzogen, ruhig stehen geblieben waren. Wir ritten hinüber nach dem Gemäuer, wo wir den Brunnen vermuteten. Er war es allerdings. Ein oben festgebundenes Seil aus Dattelfasern führte hinab; ein Ledereimer, mit einem Stein beschwert, hing daran. So und nicht anders war wohl auch der Brunnen beschaffen, aus welchem einst Rebekka dem Oberhirten Abrahams und seinen Kamelen Wasser schöpfte. An gewissen Einrichtungen und Gebräuchen des Orients können Jahrtausende vorübergehen, ohne das geringste zu ändern.
    In der Nähe des Brunnens war, ekelerregend gegen den Felsen geworfen, das Gescheide (Gedärme) von zwei Gazellen zu sehen, und dort, vom Westen her, kam eine sehr breite, noch junge Reiterspur aus der Wüste herbei. Es war ein wahres Wunder, daß sich in der ganzen Umgegend kein einziger Geier zeigte, sonst wären die Überreste dieser beiden Tiere längst verschwunden gewesen. Mir aber kam, sobald ich sie sah, sofort die Klarheit, die mir bis jetzt gefehlt hatte.
    „Schau dies Gescheide und sieh diese Spuren!“ sagte ich zu Kara. „Sie teilen mir das mit, was ich vorhin so gern wissen wollte. Die Beni Khalid

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