190 - Der Finder
nach.
In diesen Augenblicken vergaß er seinen Schützling. In diesen Augenblicken tötete Daa’tan mehr oder weniger zufällig zwei Männer, und während dieser Augenblicke wurde Daa’tan selbst von einem Bumerang getroffen.
Von all dem bekam der Daa’mure nichts mit.
Grao’sil’aana spürte der ontologischen Substanz seiner Beute nach, und als er sie lokalisierte, entdeckte er auch die Verwerfungen im Schlamm des Flussbettes an der Stelle, an welcher der Fisch sich eingegraben hatte. Eine einzige wellenförmige Bewegung ging durch Grao’sil’aanas Schuppenleib, und er schoss dieser Stelle entgegen.
Er packte den Fisch, umklammerte ihn mit seinen Beinen und seiner Linken, stieß ihm die Rechte ins breite Maul und riss den Fischschädel nach oben. Das Fischgenick knackte, als hätte Grao’sil’aana einen morschen Ast zertreten.
Den toten Fisch in den Armen, schwamm er zur Wasseroberfläche hinauf. Abenddämmerung tauchte die Flusslandschaft in seltsam milchiges Licht. Die Rauchwolke des Feuers stieg etwa sechshundert Schritte entfernt aus der Uferböschung in den Abendhimmel. Daa’tan saß nicht mehr am Feuer. Der Daa’mure tastete nach den mentalen Impulsen des Jungen – da war nichts mehr.
Grao schleuderte den Fisch an Land, tauchte zum Ufer und sprang aus dem Strom. Den toten Fisch mit beiden Armen vor die schuppige Brust gepresst, lief er zur Feuerstelle. Der Braten war nicht nur gar, er war trocken und zusammengeschrumpft.
Grao’sil’aana suchte Daa’tans Spuren, fand sie rasch und folgte ihnen bis ins hohe Gras zwischen einer Gruppe Akazien. Dort entdeckte er die Fährten von mindestens vier Primärrassenvertretern.
Er fand Blut, und die Spuren jener rotpelzigen Springtiere, die Daa’tans Zorn erregt hatten. In immer weiter werdenden Kreisen suchte er das Grasland unterhalb der Uferböschung ab. Jeden Abdruck im Grasboden registrierte er, jeden abgeknickten Halm, jeden Blutstropfen.
Danach sondierte der Daa’mure die wenigen Fakten, die er als gesichert betrachten konnte. Die Besitzer der vertriebenen oder getöteten Tiere waren zurückgekommen, so viel war klar. Alles was er sah, legte diesen Schluss zwingend nahe. Weiter: Sie hatten Daa’tan nicht getötet, sonst hätte er die Leiche des Jungen finden müssen. Aus dieser Überlegung wiederum ergab sich, dass sie ihn verschleppt hatten. Andernfalls wäre der Junge ja noch irgendwo hier in der Nähe und hätte sich gemeldet.
Glücklicherweise waren die Spuren der Primärrassenvertreter und ihrer Tiere nicht zu übersehen. Grao’sil’aana ging zum Feuer, band sich das schwarze Flaggentuch mit dem goldenen Totenschädel um und nahm die Verfolgung auf. Es wurde allmählich dunkel.
Anfangs bewegte er sich einfach nur mit großen Schritten voran.
Im Laufen nahm er den Fisch aus, schnitt ihm den Kopf ab und verspeiste ihn; roh. Als er den letzten Bissen verschlungen hatte, fiel er zunächst in einen Laufschritt und kurz darauf in einen Spurt.
Notfalls wäre er bis zu jenem Felsen gespurtet, der dem unreifen Geist des Jungen so anziehend erschien. Grao’sil’aanas Kraftreserven waren schier unerschöpflich.
Inzwischen war es endgültig Nacht geworden. Bald mehrten sich die Anzeichen, dass Daa’tans Entführer es nicht eilig hatten und ihr Ziel folglich nicht allzu weit entfernt sein konnte. Grao’sil’aana fiel aus dem Spurt in einen behäbigen Trab. Sie würden ihm nicht entkommen, er war sich sicher.
Der Mond ging auf, das Land wurde hügliger. In der Ferne sah er Lichter schimmern. Fackeln? Feuer? Im Nachthimmel rauschte es, eine heftige Windböe fegte über ihn hinweg. Bäume und Sträucher schüttelten sich, das Gras neigte sich tief auf die Erde. Grao’sil’aana blieb stehen und spähte zu Mond und Sternen hinauf. Etwas streifte seine Aura, etwas berührte seinen Geist, rief ihn.
Und dann fiel aus dem Sternenhimmel ein mächtiger Schatten auf ihn herab…
***
Ein paar Atemzüge lang standen sie einfach nur da, und einer betrachtete den anderen, als sei der nur ein Bild seiner selbst. Rulfan war es schließlich, der den ersten Schritt auf den anderen zu machte.
»Ich fasse es nicht«, murmelte er kopfschüttelnd. »Du bist schon hier? Hast es tatsächlich geschafft…?«
Matt ging ihm entgegen. »Was soll ich denn sagen? Ich dachte, du wärst tot! Ich wagte doch nicht zu hoffen, dass ich einen von euch noch einmal lebend wieder sehen werde…!«
Jetzt standen sie einander gegenüber. Einer sah dem anderen in die
Weitere Kostenlose Bücher