1914 - Schmelztiegel Kristan
fremden Ortungstechnik war höchste. Vorsicht geboten. Ein Vorteil für den Verfolger war, daß er sich im Nahbereich des Kessels garantiert unauffällig bewegen konnte. Die permanente Völkerwanderung in den Bebengebieten erschwerte die Interpretation von Ortungsergebnissen. Wenn der Tsk das geschickt nutzte, war es durchaus möglich, das Flugziel der Fremden auf ein paar hundert Lichtjahre einzugrenzen.
Mehr verlangte der Ketomi fürs erste gar nicht.. Die Verfolgung diente dem Zweck, daß sie nach Wochen oder Monaten zu einem Ergebnis führte. Mit dem ZZ-89 ging es vielleicht schneller, aber da wollte er noch abwarten, wie sich die Situation entwickelte.
Stunden später entschied er sich, persönlich einzugreifen und die Angelegenheit zu beschleunigen. Daß er dabei in Kauf nahm, sein Inkognito zu lüften,' hielt er angesichts des wertvollen Hyperorters für vertretbar. Kleine Probleme wie das mit dem Desinformanten verblaßten daneben zur Bedeutungslosigkeit.
11.
Tuck blieb unter dem Eingang stehen. Sprachlos starrte er auf den Sessel und die Kommandantin. Fee Kellind saß mit übergeschlagenen Beinen da. Den Kopf hielt sie leicht nach hinten geneigt, und ihre Zunge glitt langsam an der Oberlippe entlang.
Abgesehen davon, daß sie eitel war, entdeckte Mergenburgh immer neue Züge an ihr.
Du freust dich zu früh, dachte er. Wenn du denkst, du kannst mich auf diese plumpe Art aus der Fassung bringen, hast du dich getäuscht. Einfach den Spieß umdrehen, das fruchtet bei mir nicht.
Er räusperte sich und trat ein. „Die Luft scheint ziemlich trocken zu sein", bemerkte er. „Bestimmt kann ich dir irgendwie helfen."
Wie gewohnt überging sie die Anspielung. Bei Cavalieri war das ganz anders. Scherze des Ortungschefs griff sie meist ohne Zögern auf.
Verdammt, man kann eben nicht alles haben, Tuck! Aber warum gerade Jon?
„Nimm Platz!" Sie deutete auf die Sitzgruppe.
Er setzte sich ihr gegenüber, vermied es jedoch, sie direkt anzusehen. Die wippenden Spitzen ihrer Stiefel machten ihn nervös. Plötzlich hörte die Bewegung auf. Kellind senkte das Kinn auf die Brust und sah ihn von unten herauf an.
„Über eines solltest du dir im klaren sein, Tuck Mergenburgh. Es ist lediglich den ungewöhnlichen Umständen unserer Mission zu verdanken, daß ich von einem Disziplinarverfahren gegen dich absehe. Mit Typen deines Schlages hatte ich schon oft zu tun. Einer hieß Sholter Roog. Nach seiner Entlassung aus dem TLD saß ich an seinem Schreibtisch, bis Gia sich endlich dazu durchrang, mich regelmäßig in den Einsatz zu schicken. Wenn du Wert darauf legst, stimme ich deiner Entlassung gern zu."
In Mergenburgh schrillten die Sirenen. „Du übertreibst", murmelte er.
Sie winkte ab. „Es stimmt, was man sich über dich erzählt", fuhr sie fort. „Du hast lange Zeit als schlafender Agent zugebracht und dich dabei innerlich von dem gelöst, was man dir in der Ausbildung vermittelt hat. Verläßlichkeit, Genauigkeit und die exakte Befolgung von Anweisungen, all das hast du früher beherrscht. Inzwischen ist es dir verlorengegangen."
„Bist du da sicher?" fragte er, gestand sich aber ein, daß sie recht hatte.
Viele Jahre war er Schläfer-Agent gewesen mit dem Auftrag, nur in einem ganz bestimmten Fall aktiv zu werden. Der Fall war nie eingetreten, Tuck hatte sein Gehalt im Prinzip umsonst bezogen. Dick war er dabei geworden. Selbst regelmäßiger Sport verhinderte den Fettansatz nicht, den ihm Süßigkeiten und kalorienreiches Essen verpaßt hatten.
Im Prinzip war das nach seinem Geschmack gewesen, denn hinter einem behäbig und unbeweglich erscheinenden Körper vermutete niemand einen Hochleistungsagenten. Die Neigung zum Übergewicht bewahrte ihn vor Nachteilen, sie gehörte zu seinem ganz speziellen Überlebensprogramm.
„Ein Schreibtischtäter war ich nie", fuhr er fort, als sie keine Antwort gab. „Wenn ich Erfolge hatte, dann aus dem Bauch heraus. Aber das kannst du vermutlich nicht nachempfinden."
„Es gehört nicht zu meinen Aufgaben. Ich habe für andere Dinge zu sorgen, zum Beispiel dafür, daß meine Mitarbeiter auf Kristan keine Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen anzetteln."
Die Kommandantin hantierte an ihrem Kodegeber und holte die aktuellen Daten auf den Hauptschirm.
Im Norden der Hauptstadt bekriegten sich inzwischen Dutzende von Banden mit dem Ziel, die jeweils anderen Gruppen zu schwächen und sich selbst einen Vorteil im Bemühen um den ZZ-89 zu verschaffen.
Die
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