192 - Das Monster in mir
und es ging nicht an, daß sie vor ihn hintrat und sagte: »Chef, ich liebe Sie.« Eher hätte sie sich die Zunge abgebissen.
Nachdem sich Bob Nolte verabschiedet hatte, räumte Megan das Geschirr in die Spülmaschine und schuf im Wohnzimmer die gewohnte Ordnung.
Die Türglocke schlug mit einem melodischen Ding-Dong an.
Megan nahm an, Bob hätte irgend etwas vergessen. In dieser Disziplin hatte er es schon zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Er vergaß Auto- und Wohnungsschlüssel, Hut, Mantel, Regenschirm, Handschuhe… Wenn sein Kopf nicht angewachsen gewesen wäre, hätte er auch den schon mal irgendwo liegenlassen.
Belustigt und schwungvoll öffnete Megan die Tür.
Im selben Moment fiel ihr das amüsierte Lächeln buchstäblich aus dem Gesicht.
»Dr. Lancaster!« stieß sie entsetzt hervor. »Großer Gott, wie sehen Sie denn aus!«
Jordan Lancaster lehnte verwirrt am Türrahmen. Er schien sich elend zu fühlen. Irgend etwas mußte ihn maßlos entsetzt haben.
»Megan«, kam es röchelnd aus seinem Mund. »Megan…«
»Was ist passiert?« fragte die Sekretärin geschockt.
»Kommen Sie herein.« Sie half ihm, stützte ihn, spürte, wie er bebte und zitterte. Etwas Unvorstellbares mußte vorgefallen sein.
Megan führte den Arzt ins Wohnzimmer, er plumpste in einen der Sessel.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte die junge Frau mit belegter Stimme.
Er schüttelte den Kopf, seine Hände zuckten. Hastig öffnete er seinen Hemdkragen. »Mir ist so heiß…!«
»Sind Sie krank?«
»Ich verbrenne«, stöhnte Jordan Lancaster.
»Was haben Sie?« fragte Megan Wiseman aufgewühlt. Er als Arzt mußte das doch wissen. »Um Himmels willen, was ist mit Ihnen, Dr. Lancaster?«
»Es ist… grauenvoll, Megan…«
»Was?« wollte die junge Frau wissen. »Wovon reden Sie?«
»Ich habe… Sie werden mir kein Wort glauben, aber es ist wahr…«
»Es gibt keinen Grund, weshalb ich an Ihren Worten zweifeln sollte, Dr. Lancaster. Ich weiß, daß Sie nie die Unwahrheit sagen.« Sie legte die Hand auf seine heiße Stirn.
»Du liebe Güte, Ihr Kopf glüht tatsächlich. Ich hole Eiswürfel. Vielleicht helfen sie Ihnen. Und dann erzählen Sie mir haargenau, was Sie so sehr aus der Fassung gebracht hat.« Sie trat zaghaft zurück, zeigte auf das Sofa und fragte: »Möchten Sie lieber liegen?«
Er wehrte mit den Händen ab.
»Ich bin gleich wieder bei Ihnen«, versprach Megan. »Nicht aufstehen, ja? Bleiben Sie sitzen. Es wird alles gut.«
Sie eilte in die Küche. Es schmerzte sie, den Mann, den sie heimlich liebte, so leiden zu sehen. Sie plünderte das Tiefkühlfach, warf alle Eiswürfel auf ein Geschirrtuch und schlug die Ecken zur Mitte.
Sie war keine Medizinerin, aber sie glaubte mit ihrem Verdacht, daß Jordan Lancaster einen schweren Nervenschock erlitten hatte, richtig zu liegen.
Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, erwartete sie das Grauen.
***
Die Terrassentür war offen, Dr. Lancaster schien – trotz Megans ausdrücklicher Bitte, sitzenzubleiben – das Haus verlassen zu haben. An seiner Stelle kroch etwas anderes zur Tür herein: die Satansraupe!
Der Schock traf Megan Wiseman mit der Wucht eines Keulenschlags.
Fassungslosigkeit spiegelte sich in ihren himmelblauen Augen. Sie konnte nicht glauben, was sie sah, obwohl es sich mit grausiger Deutlichkeit von der Umgebung abhob.
Dieses fleischfarbene Wesen war stachelig behaart, menschengroß, hatte einen widerlich schwarzen Kopf, kleine stumpfe, glühende Hörner, glühende Augen und ein Maul mit messerscharfen Zähnen!
Woher kam dieses fürchterliche Horrorwesen? War Dr. Lancaster seinetwegen zu ihr gekommen? Hatte er ihr davon erzählen wollen?
Die Satansraupe richtete ihre glühenden Augen auf die junge Frau, streckte sich und schob sich in raschem Wechsel wieder zusammen.
Es gibt keine Raupen dieser Größe! schrie es in Megan Wiseman. Aber gibt es etwas nur deshalb nicht, weil es nicht sein darf?
Die Satansraupe war unheimlich schnell, und Megan stand wie gelähmt da. Als das Tier sie beißen wollte, stieß sie einen gellenden Schrei aus und sprang auf den Tisch.
Das Untier biß ein Tischbein ab. Mit knirschenden Zähnen zermalmte es das Holz. Der Tisch kippte, und Megan fiel schreiend herunter.
Im Winter, wenn alle Fenster geschlossen waren, wären ihre Schreie ungehört geblieben. Ein Glück, daß noch Sommer war.
Lucas Heller, der Nachbar, sprang aus dem Bett. Mary, seine Frau, hatte schon geschlafen. Er nicht. Seit Monaten litt er an
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