1927 - Legende der Tujokan
Essensresten. Diese hier - davon war Przondzu überzeugt - dienten dem Speiseplan lüsterner Frauen.
Es hatte sich herumgesprochen, daß die Einheit aus dem Camp Trebzorr auf Urlaub kam. Die Frauen von Haarenkay trafen ihre Vorbereitungen.
Przondzu tippte dem Piloten des Vierachs auf die Schulter und deutete zu dem schmalen Pfad, der zwischen die viergeschossigen Häuser führte.
„Da hinein."
Der Mann gehorchte wortlos und vermied es, den Kämpfer direkt anzusehen. Es war kein Wunder, denn der Pilot zählte zu den Unterprivilegierten der Stadt. Ihm fehlten die vorstehenden Reißzähne jedes erwachsenen Tujokan.
Vermutlich ein Haftentlassener, einer jener Bedauernswerten, die sich am Gemeinwohl versündigt haben, dachte Przondzu.
Gründe gab es viele, jemandem die Reißzähne herauszubrechen. Zum Beispiel wenn er sich eines Diebstahls oder eines Mordes oder ähnlicher Delikte schuldig machte. Manche kaschierten es durch Imitate, die sie sich in die harten Lippenwülste einsetzen ließen. Dieser hier besaß vermutlich nicht genug Silbermuscheln, um es sich leisten zu können.
„Die nächste Abzweigung rechts!" wies er den Piloten an.
Diesmal wagte der Unterprivilegierte einen Einwand. „Gonsel, es ist mir unter Strafe verboten, diesen Weg einzuschlagen."
„Ich kenne die Stelle genau, an der du umkehren mußt. Dorthin bringst du mich."
Der Pilot fügte sich murrend in sein Schicksal. Er ließ den Vierach tiefer sinken und hielt exakt an der Stelle an, wo die Sperrzone begann. Przondzu entlohnte ihn und sprang aus dem Fahrzeug. Der Pilot wendete; sofort raste er davon.
Der Todeskämpfer hielt nach Beobachtern Ausschau. Niemand schien seine Ankunft bemerkt zu haben. Entschlossen überschritt er die unsichtbare Linie und stapfte in Richtung der Direktion. Seines Wissens waren es vierzig Dirigenten, die in dem großen Gebäudekomplex wohnten. Ihre Entscheidungen bestimmten das Leben in Haarenkay und auf allen Kontinenten.
Przondzu wußte nicht einmal ihre Namen, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich der wuchtigen Fassade am hinteren Ende der Gasse zu nähern.
Nichts rührte sich. Alles blieb still. Przondzu wäre ein schlechter Kämpfer gewesen, wenn ihn das nicht mißtrauisch gemacht hätte. Er fixierte die sieben Türen in seinem Blickfeld. Wenn sich hinter ihnen Wächter aufhielten, verstanden sie es, sich lautlos zu bewegen.
Der Gonsel sog die Luft ein. Ein Windstoß trieb ihm einen merkwürdigen Geruch entgegen, den er in dieser Umgebung nicht einordnen konnte. Irritiert verlangsamte er seinen Schritt.
Sie wollten ihn verunsichern. Wer immer in der Direktion für die Abwehr ungebetener Besucher zuständig war, arbeitete mit allen Tricks, die es gab.
Przondzu schmunzelte. „So leicht läßt sich ein Todeskämpfer nicht aus der Fassung bringen", murmelte er.
Fast gleichzeitig öffnete sich eine der Türen. Mit einem Knall flog sie gegen die Wand des Eingangs. Ein Tujokan warf sich Przondzu entgegen. Er hielt die Augen starr auf den Gonsel gerichtet, dieser wich hastig aus. Der Artgenosse stürzte an ihm vorbei zu Boden und blieb reglos liegen.
Przondzu keuchte vor Überraschung. Mit dem Schuh drehte er den Körper des Liegenden zur Seite und vergewisserte sich, daß seine Wahrnehmung ihn nicht getrogen hatte.
Es war Quinquad. Tfenlod hatte ihn am Morgen getötet, und Przondzu entdeckte die gelben Flecken der Verwesung auf der Haut des ehemaligen Kameraden. Der merkwürdige Geruch stammte von ihm - es war Aasgeruch.
Der Gonsel wandte sich in Richtung Tür, aber diese schlug mit einem noch lauteren Knall wieder zu. Wer sich hinter ihr verbarg, konnte der Todeskämpfer nicht erkennen.
Die Botschaft war eindeutig. Wenn du nicht verschwindest, ergeht es dir ebenso.
Przondzus Vorhaben, die Dirigenten um Auskunft und Aufklärung zu bitten, scheiterte damit bereits im Ansatz. Er hätte besser auf Tfenlod hören sollen. Przondzu war überzeugt, daß der Ausbilder dahintersteckte.
So schnell ihn seine Beine trugen, verließ der Gonsel die Gasse und suchte eine der breiten Straßen des Zentrums auf. Tujokan orientierten sich nicht an Hausnummern, sondern an kleinen architektonischen Unterschieden. Den Lusttempel am Ende der Straße fand Przondzu auch im Schlaf. Er hielt auf ihn zu und traf keine Anstalten, seine Absicht in irgendeiner Weise zu verschleiern.
„He, da kommt Przondzu", klang ihm eine Stimme entgegen, kaum daß er den Eingang durchquert hatte. „Wir brauchen einen siebten Mann. Spielst
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