1928 - Unheimliche Korrago
Hilfsmittel waren sie den Androiden hoffnungslos unterlegen. Einzig und allein das Überraschungsmoment konnte ihr Verbündeter sein. „Jeder für sich, aber alle gemeinsam."
Geduckt hastete Kornani los. Seine Absicht war klar: Er wollte auf den schmalen Felsgrat gelangen, der sich über den Wald hinaus erhob und einen guten Überblick erlaubte.
Die Androiden eröffneten das Feuer, als Ursa noch nicht einmal die halbe Distanz überwunden hatte. Mit einem Hechtsprung rettete er sich vor der ersten Salve, Fee sah ihn aufschlagen und sich abrollen, bevor er in einer Senke aus ihrem Blickfeld verschwand. „Gib mir Deckung, Jon!" rief SeGuera.
Die Androiden kamen zielstrebig näher.
Cavalieris Feuerstöße verpufften in ihren Schutzschirmen. Auch Teresa jagte den Angreifern Schuß um Schuß entgegen und wechselte behende ihre Position. Sie versuchte, den Schwarzhäutigen in den Rücken zu fallen, doch ob sie mit ihrer Taktik Erfolg haben würde, ließ sich schwer abschätzen.
Wie ein Hase suchte Lethos in wildem Zickzack zwischen kantigen Findlingen seinen Weg. Augenblicke später gellte sein Aufschrei durch das Tal und brach abrupt ab, als er, von mehreren Einschlägen hochgewirbelt wurde und reglos liegenblieb.
Auch die Androiden schienen den schlanken, großwüchsigen Mann für tot oder zumindest schwer verletzt zu halten. Sie hatten sehr wohl bemerkt, daß Teresa an ihnen vorbeizukommen versuchte. „Teresa!" brüllte Fee Kellind aus Leibeskräften. „Aufpassen!"
Die Frau war im Begriff gewesen, den Bach zu überspringen, doch in dem Moment stolperte sie, ruderte mit den Armen und klatschte bäuchlings in das aufspritzende Wasser.
Für einen Augenblick sah Fee noch ihr helles Haar an der Oberfläche, dann hatte das offensichtlich tiefe Wasser Teresa verschluckt.
Die Temperatur betrug höchstens einige Grad Celsius, trotzdem kam Teresa nicht wieder nach oben - Fee hoffte, daß die junge Frau entweder dicht am diesseitigen Ufer verharrte oder aber eine längere Strecke tauchte, um doch das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu haben.
Fee selbst hatte mit dem Aufschrei ihre Position verraten; jetzt wurde es Zeit, daß sie sich zurückzog. Dabei gab sie sich keinen Illusionen hin. Ein einziger Strahltreffer, den der Paratron sonst mühelos absorbiert hätte, würde ihr nun schwerste Verletzungen zufügen oder sie gar auf der Stelle töten.
Scharfkantige Steine schnitten sich in ihre Fußsohlen. Fee erreichte das untere Ende eines Geröllfelds, aus dem vereinzelt größere Brocken aufragten. Rasch näher kommende Schritte folgten ihr, und als sie sich flüchtig umwandte, stürzte sie. Ihr Versuch, den Aufprall abzufangen und zugleich den Strahler festzuhalten, blieb vergeblich, die Waffe rutschte mehrere Meter weit über die Steine.
Keine dreißig Schritte hinter ihr hob der schwarzhäutige Verfolger seinen Strahler.
Vergeblich krallte Fee die Finger um einen faustgroßen Brocken. Sie schaffte es aber nicht, ihn aus dem Geröll herauszulösen und als Wurfgeschoß zu benutzen.
Der größte Fehler war, einen Gegner zu unterschätzen. Aber genau das hatte sie getan. Der Schock darüber, daß die unbekannten Fremden einen Paratronschirm durchdringen und die SERUNS veranlassen konnten, sich gegen ihre Träger zu wenden, steckte ihr tief in den Knochen. Für viele Alashaner, die an die Macht ihrer Technik glaubten, würde das wie ein Sakrileg sein - falls sie je davon erfuhren. „Wer seid ihr?" stieß Fee Kellind hervor.
Sie fixierte nur noch die längenkonvexen Augen des Fremden - das waren Maschinenaugen, nicht die eines Wesens aus Fleisch und Blut. Fee assoziierte sie mit Kälte und Gefühllosigkeit. „Shabazza schickt euch?"
War da ein flüchtiges Aufblitzen hinter den geschlitzten Pupillen? Einbildung, empfand Fee. Wahrscheinlich verstand der Schwarzhäutige gar nicht, was sie sagte, denn mit ihrem SERUN war auch der Translator vernichtet worden.
Der Stein unter ihrer Hand gab endlich nach, einen halb erstickten Aufschrei ausstoßend, riß die Kommandantin die Hand hoch und ...
Ein greller Schmerz stach durch ihren Körper.
Fee begriff noch, daß der Androide geschossen hatte, dann versank die Welt für sie in Dunkelheit.
*
Vierzig bis fünfzig Meter weit hatte Teresa Newman sich von der Strömung tragen lassen, bevor sie zusammengekauert unter einem leicht überhängenden Uferabschnitt versuchte, sich zu orientieren. Die Eiseskälte des Wassers lähmte sie und stach wie mit Nadeln durch
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