1928 - Unheimliche Korrago
ihr Fleisch. Ein paar Minuten noch, dann würde sie wohl nicht mehr in der Lage sein, sich vernünftig zu bewegen.
Keiner der Fremden war ihr gefolgt, er hätte jetzt ihr Zähneklappern hören müssen. Schier unlösbar hatten sich ihre Finger um den Strahler verkrampft, und das behinderte sie bei dem Versuch, sich ans Ufer zu ziehen.
Aber irgendwie schaffte sie es. Auch wenn sie danach am liebsten regungslos liegengeblieben wäre, zwang sie sich hoch.
Nur nicht der Kälte nachgeben, dröhnte es in ihr.
Erinnerungen an ihre .TLD-Ausbildung stiegen in ihr auf. Es waren keine schönen Bilder; Schweiß und Tränen hatten jene Zeit geprägt. Sie hatte nie verstehen wollen, welchen Wert es hatte, unaufhörlich den völligen körperlichen Zusammenbruch zu provozieren, wenn es doch genügte, sich dem Pikosyn anzuvertrauen - nun fragte sie sich, ob ihre Ausbilder vielleicht mißtrauischer gewesen waren als sie selbst. Wer von Kindesbeinen an stets von Perfektion begleitet wurde, für den besaß schon der Gedanke an ein mögliches Systemversagen etwas äußerst Exotisches.
Zitternd, mit wild aufeinanderschlagenden Zähnen hastete sie weiter. Ein Kaleidoskop von Sinneseindrücken wirbelte unter ihrer Schädeldecke durcheinander. Sie sah die GOOD HOPE III landen. Nur wenige hundert Meter entfernt senkte sich der Kugelraumer langsam herab.... ... und zerplatzte wie eine schillernde Seifenblase, nichts anderes als ein Produkt ihrer unterkühlten Nerven.
Keiner der Crew war mehr zu sehen. Hatten die Schwarzhäutigen sie in die Station verschleppt? Teresa Newman blieb stehen und hielt sich die Hände vor den Mund. Die Wärme ihres Atems prickelte wohlig an den Fingern; Augenblicke später massierte sie mit den nicht mehr ganz so kalten Fingern ihre Augen. 'Den Androiden sah sie erst jetzt. Obwohl er schon vorher zwischen den Büschen gestanden haben mußte. Er wandte ihr den Rücken zu, deshalb - hatte er sie noch nicht bemerkt, doch jeden Moment konnte er sich umdrehen, und dann ... Teresa hatte spontan den Strahler hochgerissen, ließ ihn aber wieder ein klein wenig sinken. Es widerstrebte ihr, den Unbekannten von hinten niederzustrecken, auch wenn das eine Einstellung war, die sie selbst Kopf und Kragen kosten konnte.
Der Schwarze bückte sich und zerrte eine reglose Gestalt vom Boden hoch. Lethos? Er schien tot zu sein.
Teresa war inzwischen wieder die Ruhe selbst, sie zitterte nicht einmal mehr, als sie den Strahler mit beiden Händen umfaßte und auf den Schwarzhäutigen richtete. „Dreh dich um!" befahl sie. „Aber langsam."
Der Androide zeigte keine Reaktion. Dafür handelte SeGuera. Er war nicht tot. Seine Fäuste zuckten hoch und krachten gegen den Unterkiefer des Schwarzhäutigen, so heftig, daß Teresa selbst auf die Distanz glaubte, Knochen knacken zu hören.
Wahrscheinlich waren es SeGueras Handknochen gewesen, denn sein Gegner zeigte sich nicht im mindesten beeindruckt: Er stieß den Alashaner achtlos zur Seite und wandte sich der Frau zu. Das Aufglühen in seinen senkrecht stehenden Augen erschreckte Teresa, eine unsichtbare Faust schien nach ihrem Herzen zu greifen und es zusammenzuquetschen.
Schieß! hämmerte es in ihr. Töte dieses Ding, bevor es dich umbringt!
Sie hatte auf Dauerfeuer geschaltet. Glühend floß der Impulsstrahl vor einem bis eben unsichtbaren Schutzschirm auseinander.
Urplötzlich flammte ein zweiter Schuß auf.
Lethos SeGuera feuerte im Liegen, mit aufgestützten Armen. Danach ging alles sehr schnell. Strukturrisse entstanden, zwischen denen fahle Energieschleier verwehten.
Teresa feuerte noch, als die Glut dem Gegner schon das künstliche Fleisch von den Knochen fraß. „Er ist tot!" hörte sie Lethos rufen. „Hör auf damit! - Teresa, verdammt! Du vergeudest Energie."
Jäh schreckte sie auf wie aus einem bösen Traum. Doch dies war kein Traum. Vor Kälte bebend, schaute sie suchend um sich. Immer noch perlte die Nässe aus ihrem Haar und tropfte auf die nackte Brust. Unter einem SERUN trug man für gewöhnlich wenig Kleidung, bestenfalls nur Unterwäsche, weil die Wiederaufbereitung körperlicher Ausscheidungen den Pikosyn ansonsten vor Probleme stellte.
Lethos humpelte ihr entgegen. Er zog das linke Bein merklich nach, und an seiner Hüfte hatte sich ein gewaltiger Bluterguß gebildet.
Sein Oberkörper war von Kratz- und Schürfwunden übersät, und von seiner Stirn sickerte Blut. Als er sich mit der Hand durchs Gesicht fuhr, verschmierte er das Blut und schien es nicht
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